Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1904 (1904)

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einen guten Kaffee, gelt, Mutterl, wir machen 
es so?" 
Durch ihre Tränen mußte die Mutter 
jetzt lächeln, über den Eifer, den die Leni 
im Trösten bewies, sie hatte halt doch ein 
seelengutes Gemüt. Und wirklich, gar so 
trostlos war es ja eigentlich nicht, denn die 
Kleine blieb doch im Städtchen, nur sechs 
Häuser aufwärts, die Straße entlang, wohnte 
sie dann, da ging sie sicherlich jeden Tag 
ein Paarmal vorüber, wenn es Einkäufe 
oder sonstige Besorgungen gab. 
Nur wenige Tage blieb Lene noch bei 
der Mutter, ehe sie zu Frau Tauner zog. 
Es machte sie doch ein wenig beklommen 
und ängstlich, unter lauter ungewohnten 
Menschen zu weilen und allein in einem 
kleinen dunklen Verschlage neben der Küche 
zu schlafen. Frau Tanner aber, welche das 
merkte, ließ dem Mädchen keineswegs Zeit, 
etwa trübe Heimwehgedanken zu hegen, sondern 
spannte sie gleich am ersten Tage tüchtig ins 
Zeug. 
Die rührige Frau hatte ein Häuschen 
mit Garten und kleinem Baumland gemietet 
und nahm eine Anzahl Knaben, welche die 
Bürgerschule besuchten, in Kost und Quartier. 
Da fehlte es natürlich nicht an Arbeit jeg 
licher Art, und Lene mußte bei allem und 
jedem behilflich sein. 
Eine gelehrige Elevin war das Mädchen 
just nicht und Frau Tanner brauchte zu 
seiner Schulung schon ein gehöriges Maß 
von Geduld und durfte nicht müde werden, 
ein und denselben Handgriff wiederholt zu 
erklären und mußte dann trotzdem noch 
fürchten, daß ihn die Lene das nächstemal 
richtig wieder nicht wußte. 
Herr Tanner sagte ein um das andere- 
mal: „Ach geh', beste Lore, plag' dich doch 
mit dem ungeschickten, linkischen Ding nimmer 
lange und schicke sie wieder zu ihrer Mutter 
zurück. Du redest dir ja die Lunge heraus 
und es fruchtet doch keinen Deut. Trachte 
lieber, Hitlers Marie zu bekommen, das 
wäre wahrhaftig ein anderer Rekrut. Flink 
und gelehrig wie nicht leicht eine zweite, 
und sie scheint auch viel stärker als die Lene 
zu sein." 
Frau Tanner widersprach ihrem Manne 
nicht gern, aber diesmal tat sie es doch, 
indem sie entgegnete: „Nein, Hillers Marie 
nehme ich nicht, diese schaut mir viel zu keck j 
in die Welt und es gefällt mir ebensowenig, ! 
daß sie schon wieder ihren Dienstplatz ver- ; 
läßt; kaum zwei Monate weiß ich siedort. ! 
Es ist freilich wahr, mit der Lene hab' ich j 
viel Plage, aber was tut's, ich plage mich j 
weiter, denn ich finde sicherlich keine andere 
mehr mit so gutem Willen, so beharrlichem 
Fleiße und so gutmütigem, ehrlichen Wesen. | 
Diese Eigenschaften sind schätzenswert genug, j 
um über die sonstigen Mängel des Mädchens 
mit Nachsicht hinwegzusehen." 
Frau Walter war überaus froh, daß ihre 
Tochter eine so gütige, einsichtsvolle Herrin 
gefunden hatte, denn sie wußte recht gut, 
daß es Frauen genug gebe, welche für jene 
Eigenschaften, die Frau Tanner bei Lene 
so rühmlich hervorhob, gar kein Verständnis 
besaßen und sie wegen ihres unbeholfenen 
Wesens und langsamen Auffaffungsgabe schon [ 
längst wieder fortgeschickt hätten. Uebrigens 
traten diese Fehler bei Lene immer mehr 
und mehr in den Hintergrund, denn sie gab [ 
sich zu deren Bekämpfung unsägliche Mühe 
und ersetzte redlich durch Fleiß, was ihr an 
Vermögen, sich eine Sache mit Klugheit ein 
zuteilen, gebrach. Jetzt, in ihrem zweiten I 
Dienstjahre, konnte sie der Mutter bei den 
sonntäglichen Spaziergängen schon öfters 
von dem Lobe ihrer Dienstfrau erzählen; \ 
das ging freilich viel leichter, als von dem ! 
Schelten zu sprechen, über das sie auch 
jedesmal gewissenhaft berichtet hatte. 
Frau Walters Gesundheitszustand ver- j 
schlimmerte sich indessen in bedenklicher Weise 
und es war ein Glück, daß ihr von einem 
entfernt lebenden Vetter eine kleine Erbschaft 
zugefallen war, die sie doch wenigstens mit 
dem Nötigsten versorgte, denn vom frühen 
Morgen bis in die späte Nacht bei der Nadel 
zu sitzen, gelang ihr schon seit vielen Wochen 
nicht mehr. Endlich konnte sie auch ihr Bett 
nicht mehr verlassen, und dann kam einmal 
ein trauriger Sonntag, an dem Lene ihr > 
liebes Mütterlein dort besuchen mußte, wo 
man jeden Erdenpilger schließlich zur ewigen 
Ruhe legt. 
Lene übertrug nun den reichen Schatz an 
Liebe und Treue, den sie für ihre Mutter 
gehegt, vollends auf ihre Herrschaft und 
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