Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1904 (1904)

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„Ja, ein sauberer Mensch und ein braver 
Mensch dazu," fiel der Altknecht dazwischen. 
„Wär' schon recht, wenn alle jungen Leute 
so wären wie er. Er ist fleißig und arbeitsam, 
geht am Sonntage in die Kirche und sitzt 
nicht immer im Wirtshause wie andere." 
„Als wie ich zum Beispiel, gelt, Wastl? 
Sag's nur, ich weiß schon auf wen dein Reden 
hinzielt. Kann so sein, daß du recht hast. 
Auf den Vestl bin ich nicht neidig deshalb, 
er ist immer mein liebster Schulkamerad 
gewesen." 
Sie dengelten weiter und nach einer Weile 
fing der zweite Knecht wieder an: „Toni, 
was ist's denn eigentlich mit dem Vestl und 
unserer Vroni? Ich bin zwar noch nicht lange 
da, hab' aber doch schon allerhand läuten 
hören von den Zweien." 
Toni schaute ein wenig auf die Seite zum 
Altknecht hinüber, dann im Hofe umher und 
sagte: „Du, red' net z'laut! Da könnt'st 
beim Bauern was erfrag'n!" Er beugte sich 
etwas näher zu seinem Nachbarn. „Gern 
haben sie sich halt, der Vestl und die Vroni, 
das ist sonnenklar. Aber der Bauer weiß 
nichts davon. So gern er auch das Mädl 
hat, einem Knecht gibt er die Vroni nicht. 
Da muß ein Besserer kommen, ein ganz 
Feiner. Ich fürchte, es gibt bald Sturm ab. 
Der Vestl ist jetzt wieder da und —" 
„Laßt das Dengeln gut sein, die Sensen 
sind jetzt scharf genug!" rief der Altknecht 
und erhob sich von seinem Dengelsteine. „Und 
du, Toni, merk' dir's! Heut' ist Samstag, 
da kehrt man gern den Hof aus. Schau, 
daß nicht der Bauer mit dir das Gleiche tut. " 
Der Bursche machte einen kurzen Lacher, 
noch ein paar Klopfer und still war's. 
Der Lenzbauer war indessen in seiner 
Stube und achtete heute nicht auf das Den 
geln der Knechte, auch nicht auf die schweren 
Wolkenmassen, welche unheimlich und drohend 
an den Felswänden dahinflogen. Ein 
dumpfes Brausen kam vom Walde her, wäh 
rend sich im Tale noch kein Lüftchen regte. 
Scheu duckten sich die Vöglein unter das 
Blätterwerk, die ganze Natur schien in banger 
Erwartung. 
Aber alles das sah der Bauer nicht. Er 
ging mit geballten Fäusten und hastigen 
Schritten in der Stube auf und ab, riß dann 
plötzlich die Tür auf und rief kurz: „Vroni!" 
Sie trat ein. Ihr Gesicht schien etwas 
blaß, doch kam dies wohl nur von dem 
grünen Schatten der Linde, die vor dem 
Fenster stand. 
„Was willst, Vater?" 
So lieblich war Vroni anzusehen, daß auch 
der Vater sie betroffen anschaute. Seine 
düstern Züge erhellten sich, doch gleich darauf 
nistete sich wieder die Unmutsfalte zwischen 
den Brauen fest. Sein größter Schatz, das 
liebste Gut war ihm Vroni bisher gewesen. 
Noch nie hatte sie ihm Kummer gemacht und 
heute — ja heute! 
Der erste Donner rollte draußen, daß die 
Fenster zitterten und auch in der Stube 
drinnen brach ein Zornwetter los. 
„Hast mir ja eine rechte Freude g'macht 
mit dem Freier, den du mir ins Haus ge 
schickt hast! Das hätt' ich nicht geglaubt, daß 
du solche Sachen im Kopfe hast." 
Das Mädchen zuckte. „Vater, ist es denn 
was Schlechtes, daß Vestl mich gern hat? 
Und daß er arm ist, das ist doch keine 
Schand'?" 
„Du junges Ding, du willst es besser 
wissen als ich? Das glaub' ich freilich, daß 
er dich leiden mag, daß er dich heiraten will, 
glaub' ich noch lieber. Da säße der Habe- 
nichts schön warm im Neste — ja, das glaub' 
ich!" 
„Vater, von Euch selber hab' ich's gelernt, 
daß man über Leute, die einem nichts böses 
getan haben, nicht lieblos urteilen soll." 
„So, hat er mir nicht genug angetan?" 
rief der Bauer. „Ich halt's für einen Schimpf, 
daß er mit solcher Absicht zu mir kam und 
habe es ihm auch gesagt. Der kommt mir 
nimmer, dafür ist gesorgt, denn ich hab' ihn 
hinausg'jagt aus mein' Haus." 
„Vater!" rief das Mädchen erschrocken, 
„das ist nicht wahr. So hart seid Ihr nicht 
g'wesen. Ihr könnt euer Kind nicht unglück 
lich machen." 
„Unglücklich machen? So weit ist es also 
schon kommen? Nun, so hör' es auch du 
selber: Ein Knecht, der seine Augen zu mein' 
Dirndl erhebt, der kann in mein' Haus nicht 
länger mehr bleiben, und wenn du dir die 
Dummheit nicht vergehen laßt, dann jag'
	        
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