Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

(1601 
gleitung des Obmannes des Dombaucomitös 
Dompropst Piuzger, des bischöflichen Secre- 
tärs Oberchristl und des Bauleiters Schlager 
noch einmal bis zur Spitze des Thurmes, 
um dem freudigen Momente der Versetzung 
des letzten Werkstückes beizuwohnen. Sofort 
wurden die weißgelbe, schwarzgelbe und 
rothweiße Fahne aufgehisst, die weithin im 
Sturmwinde flatternd der Stadt das frohe 
Ereignis des Ausbaues des Thurmes ver 
kündeten. Zur Montierung des Kreuzes 
musste noch ein 6 Meter hohes letztes Ge 
rüst aufgestellt werden. Die Monteure be 
gannen ihre Arbeit am 26. September und 
waren damit am 9. October zu Ende. Als 
bald wurde mit der Abtragung des Gerüstes 
begonnen und nun schwebt das Kreuz wunder 
bar schön hoch in den Lüften, aber auch 
der Thurmhelm, der bis unter die oberste 
Steingallerie freigelegt ist, erregt ob seiner 
Zierlichkeit allseitig ungetheilte Bewunder 
ung, besonders wenn die Morgensonne den 
selben bescheint und der untere Theil noch 
im Schatten ruht. Die Höhe des Thurmes 
vom Erdterrain bis zum Gußeisenkegel be 
trägt 128 960 Meter. Vom Gußeisenkegel, 
den nun die goldene Kugel umgibt, bis zur 
Spitze des Kreuzes sind 5-840 Meter, so 
dass also die totale Höhe sich auf 134-8 
Meter beläuft, gerade um 2 Meter nied 
riger als der Stephansthurm in Wien, dessen 
Höhe 136'8 Meter beträgt. 
Das herrliche Thurmkreuz war anfangs 
September am Dombauplatze aufgestellt 
und konnte daher in nächster Nähe in allen 
seinen Theilen besichtiget werden. Die 
Granitspitze, die als 121. Schichte nach dem 
Sandsteine kommt, erweitert sich gleich nach 
der 122. Schichte und bildet ein Gesimse, 
auf der eine gewaltige und doch zierliche 
Krone aus Kupfer ruht. Die 126. Schichte 
am Kronengesimse ist, wie schon oben er 
wähnt, aus Gusseisen (1064 Kilo schwer) 
über welche sich die Kugel oder der Thürm- 
knauf mit einem Durchmesser von 110 Centi- 
meter wölbt. In diesem Kegel steckt das 
Kreuz. Die sichtbaren Balken desselben be 
stehen aber nicht aus einer einzigen Kupfer 
stange, sondern aus einem Bündel von fünf 
Stangen, von denen die mittlere als die 
stärkste acht Centimeter Durchmesser im 
Quadrate hat. Die Nebenstangen ziehen sich 
neben der Hauptstange an den vier Seiten 
hin und sind mit dieser in Absätzen ver 
bunden. Die zwei Seitenstangen beider 
Balken enden in Form von Dreipässen, die 
Hauptstange in Form einer Eichel. Den 
Kreuzungspunkt beider Balken umkreist eine 
Dornenkrone. Diese Fünftheilung des 
Kreuzesbalkens bewirkt, dass das Kreuz nach 
jeder Richtung hin dem Sturme einen drei 
fachen Widerstand entgegensetzt. Befestigt 
ist das Kreuz an der Granitspitze des Thurmes 
durch acht 5 Meter lange Kupferbänder, 
welche an der Außenseite der Granitspitze 
in den Stein eingelassen, bis zur obersten 
Sandsteinschichte herunterlaufen und mittelst 
zahlreicher Schrauben mit dem Steine ver 
bunden sind. 
Außerdem geht vom Kreuze aus durch 
die Mitte des Granithelmes eine 13-5 Meter 
lange und 8 Centimeter im Quadrate 
messende Eisenstange in den Thurmhelm 
hinab und ist an ihrem Ende mit einem 
schweren Gegengewichte versehen, um die 
Schwankungen des Kreuzes bei heftigen 
Stürmen auszugleichen und in der senk 
rechten Richtung zu erhalten. Da weiters 
ein doppelter Blitzableiter von der Spitze 
bis in die tiefste Erde herabläuft, so ist ge 
wiss alles, was menschliche Klugheit er 
fordert, geschehen, um das Kreuz ungefährdet 
durch Jahrhunderte, so hoffen wir, zu er 
halten. 
Die Zeichnung und Anlage dieses kunst 
vollen und sinnreichen Kreuzes rührt vom 
Dombaümeister Franz Statz her, die Aus 
führung in Kupfer besorgte in ausgezeich 
neter Weise die hiesige Schiffswerfte. Von 
Herrn Rappel in Schwaz wurde die große 
Kugel, die Eichel, der Dornenkranz in 
Feuer vergoldet, wozu die im Dombauschatze 
vorhandenen Goldsachen, darunter ein Gold 
klümpchen 25 Gramm schwer, welches ein 
Ungenannter bereits im Jahre 1855 für 
das Kreuz gespendet hatte, verwendet wurden. 
Die übrigen Theile wurden von zwei hiesigen 
Meistern in Blatt vergoldet. 
Da es bei dem Gewichte von 67595 
Kilo, welches das Kreuz sammt Veranker 
ungsschiene rc. hat, nicht möglich war, das 
ganz fertig gestellte Kreuz hinaufzuziehen,
	        
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