Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

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Lin purpurheller ZHantel, besät mit Sternen 
klar; 
Aus dem kunstvoll gebildet von Sternen- 
lettern, stund: 
„Gegrüßt seist du Maria!" in Gold auf | 
Purpurgrund. 
„Mein Sohn," so sprach die Jungfrau, 
„mein Sohn ich danke dir, 
D sieh' auf diesem Mantel die strahlend 
Helle Zier; 
Du hast ihn mir geschmücket mit all' den 
Sternelein 
Drum will ich heut' dir danken für all' 
die Liebe dein." 
Voll Staunen sprach der Bruder mit 
demuthsvollem Sinn: 
„Bin arm um Gotteswillen, du weißt's, 
o Aönigin; 
Wohl möchte ich dich schmücken mit perlen 
und mit Gold 
Und hab' nur schlichte Grüße und Waldes- 
blümlein hold. 
Und siehe, meine Hände, sie sind so rauh 
und hart, 
Kann nicht einmal befühlen solch Purpur- 
stoffe zart; 
Kann nicht die gold'nen Fäden zu Sternen 
glänzend reih'n; 
O könnt ichs, dich zu schmücken, geliebte 
Mutter mein." 
Und lächelnd sprach Maria: „So oft du 
mich gegrüßt, 
So oft kam aus den Mantel ein Sternlein 
wie du siehst; 
Bis dass er ganz vollendet, währt's nur 
mehr kurze Zeit, 
Dann führ' ich deine Seele hin, wo dein 
Lohn bereit." — 
Die Jungfrau war verschwunden, der 
Mönch war nun allein; 
Durch's Zellenfenster schimmert nur bleich 
der Mondenschein, 
Und draußen in den Zweigen, da flüstert 
leis' der U)ind, 
Zum Abschied neigen Blumen die Köpfchen 
wehmuthlind. 
Des Tag's vieltausendmale sprach jetzt 
mit frommem Mund: 
„Gegrüßt seist du Maria!" der Mönch 
aus Herzensgrund. — 
Und als vom Fimmel strahlte das dritte 
Morgenroth, 
Da lag in seiner Zelle der fromme Bruder, 
todt. 
Francisco !v a tz l. 
IN
	        
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