Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1901 (1901)

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Gulasch, alles in Fett schwimmend, der 
Arme würgt das süssliche und schwerver 
dauliche Maisbrot hinab, schneidet sich 
Zwiebeln oder Gurken dazu, isst zur Ab 
wechslung auch Bohnen oder Kraut, un- 
geschmalzen und ungesalzen. Selten oder 
nie fehlt dem Reichen die Schale Kaffee, 
die sich jeder Mann auf der Straße mund 
gerecht zurichtet. Die Rajahs trinken Slivo- 
vitza, den sie aus Zwetschken brennen oder 
Rakir, eine Sorte Rum." 
„Den Luxus von Palästen, wie solche 
die Wiener Ringstraße zählt, gönnen sich 
die Bosniaken wohl nicht," lächelte Vater 
Moser. 
„Kaum den von Hütten," fiel Karl 
ein; „will sich der Bosniake irgendwo sess 
haft machen, so rammt er lange Holzpfähle 
in den Erdboden ein, verbindet dieselben 
mit Weidengeflecht, verschmiert die Ritzen 
und Fugen mit Lehm, lässt kleine Löcher 
offen, die ihm als Fenster dienen. Das 
hohe Dach ist mit Holzschindeln gedeckt, 
zwischen deren Lagen der Rauch hinaus 
wirbelt, denn selten findet sich ein Schorn 
stein. Der Herd ist aus Adams Zeiten, 
die Gemächer haben keine Möbel, oft nicht 
einmal eine Oberdecke und durch die Fugen 
des Daches blaut der Himmel oder strömt 
der Regen herein. Die Häuser der reicheren 
Türken find oft mit Ziegeln gedeckt, die 
Fenster der Frauengemächer sind stets mit 
Holz vergittert. Ob reich, ob arm, in 
Schmutz und Unrath gleicht der Türke dem 
Rajah auf das Haar. Wir hatten selbst 
in ehemaligen türkischen Regierungsgebäuden 
— Konak heißen sie — wahre Augiasställe 
auszuräumen und nicht genug des im Kampfe 
vergossenen Blutes, zapfte uns noch das Un 
geziefer dieses während der Ruhe ab. Jetzt 
bessert sich auch dieses Uebel, wie manches 
andere im Lande." 
„Wenn Oesterreich seine herrliche Cultur 
aufgabe im Großen gelöst hat und fürwahr, 
das schwierige. Werk schreitet vorwärts, dann 
wird auch der Bosnier anfangen, seine 
Menschenwürde zu fühlen und es kommt 
die Zeit, wo er mit Hochachtung und An 
hänglichkeit zum österreichischen Doppeladler 
aufblicken wird, der seine schützenden Fittiche 
über das unglückliche Land und Volk ge 
breitet hat," sagte Moser und zum ersten 
male überzog ein frisches Roth der wieder 
gekehrten Gesundheit seine Wangen, die 
Stimme war aus dem umflorten Tone in 
den kräftigen der Begeisterung übergegangen. 
„Das lobe ich mir, lieber Moser, wenn 
du wieder frisch wix eine Lerche in den lichten 
Frühlingsmorgen hineinjubelst," lachte ein 
behäbig aussehender Mann im Jagdcostüm 
mit hohen Stiefeln, der sich während Mosers 
Rede der Laube genähert hatte. Es war 
der biedere Holzer, Mosers Freund. Ihm 
zur Seite schritt Doctor Fernau. Beide 
reichten dem überraschten Diurnisten die 
Hand zum Gruße, der sich mit den Seinen 
vom Sitze erhoben hatte und sich vor Fernau 
höflich verbeugte. 
„Sie, Herr Doctor, beehren Ihren un 
glücklichen Diurnisten mit einem Besuche?" 
sagte Moser. 
In gezwungen ernstem Tone entgegnete 
Fernau: 
„Ich habe Ihnen nur zu sagen, dass 
Ihr Posten in der Kanzlei bereits vergeben 
ist. In den .heutigen Zeiten harren ja 
Hunderte auf ein Stück Brot." 
Etwas bewegt meinte Moser: „Ich 
dachte es mir ja, dass mir Etwas an 
hängen bleibt von der bösen Geschichte. 
Ich bin nur froh, dass es kein Verdacht 
ist. — Ich sehe es ja ein, dass Ihnen mit 
dem alten Manne, dem die Aufregung und 
die Krankheit die Hände etwas erzittern ge 
macht haben, nicht mehr recht gedient sein 
kann. — Ich will schauen, ob es vielleicht 
anderswo gelingt, mir mit Notenschreiben 
mein Brot zu verdienen, meine Frau muss 
stricken, die Rosa sticken und der Karl hat 
sein Soldatenbrot." Sinnend blickte Moser 
zu Boden. 
„Was ist denn das für eine jammervolle 
Physiognomie mitten im Sonnenschein, 
mitten im Frühlingsleben?" lachte Holzer. 
„Es wäre ja zu schön hier für den 
Lebensabend eines alternden Mannes," ent 
gegnete Moser, „die ganze Natur, wie herr 
lich, wie feierlich und milde. — Dieser 
Morgenspaziergang wird mir unvergesslich 
sein. Blumen grüßten zu mir herauf, die 
Blüten lachten von den Bäumen auf mich 
herab, die Vögel sangen mir zu, ich glaubte
	        
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