Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

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in dieser ihre Studien gemacht, verstehen schon 
eher, in der Literatur unserer Tage Spreu 
vom Weizen zu sondern, nach ihren eigenen 
gereiften Anschauungen und gemachten Er 
fahrungen ein treffendes Urtheil über den 
Wert eines Buches sich zu bilden, den Ver 
fasser eines schlechten Buches Lügen oder 
mit Verachtung zu strafen; anders und 
doppelt gefährlich steht es bei der Jugend, 
die mit ihrem Urtheile schnell fertig ist. 
Zum Unheil, doppelt zu Tod und Verderben 
wird bei der Jugend der Einfluss schlechter 
Lectüre auf das leicht erregte Gemüth, das 
nur nach Nahrung für die sträfliche Neugierde, 
nach Befriedigung des meist lüsternen Vor 
witzes sucht und hascht. Das Verbrechen, 
das mit einem schlechten Buche an der 
Jugend verübt wird, geschieht meist unter 
dem erschwerenden Umstande, dass Hand in 
Hand mit dem Worte auch das Bild geht, 
dem in den seltensten Fällen die Sittenpolizei 
einen durchsichtigen Schleier umhängt, den 
die erhitzte Phantasie von selbst wegreißt. 
Nun, der Jugend können Eltern, Lehrer 
und Erzieher schon eher das Laster in Wort 
und Bild beseitigen, aber dreimal gefährlicher 
ist der Einfluss schlechter Literatur auf den 
Mann aus dem Volke, sagen wir auf den 
kleinen Mann, dem der Bäcker an Wochen 
marktstagen den Laib schwarzen Brotes als 
gesunde Hausmannskost für den hungerigen 
Magen, der Berliner Roman-Colporteur 
aber die Kost für die wissensdurstige Seele 
ins Haus bringt. Meist ist diese Kost nur 
eine Olla potrida, ein Mischmasch von Gift 
und Galle, Unsinn und Blödsinn, eine lite 
rarische Presswurst; es ist bekannt, dass das 
Wurstgift zu den gefährlichsten Giften gehört, 
weit gefährlicher als das Gift der Klapper 
schlange, die ihre Anwesenheit durch Klappern 
mit der Schwanzrassel zu erkennen gibt und 
den Menschen vor ihrer Gefährlichkeit warnt. 
Das Papier rauscht, aber es klappert nicht. 
Mit strategischem Scharfblicke weichen 
diese Colporteure der Schundromaneverleger 
den Palästen der Reichen, den Häusern der 
Vornehmen und Gebildeten aus, mit Vorliebe 
nähern sie sich der Hütte des Volkes, der 
Stube des Arbeiters. Verfolgen wir das 
Terrain der socialdemokratischen Bewegung, 
so finden wir die Herren Soci nicht nur in 
den Großstädten, wo sie in den Wirtshaus 
versammlungen mit viel Behagen die 
Weisheitsbrocken auslöffeln, die ihnen ihre 
Apostel in die Brühe getunkt, wir finden 
die Soci auch in den entlegensten Gebirgs- 
dörfern, wohin aus pecuniären Gründen 
niemals ein socialistischer Wanderlehrer 
kommt; aber der Berliner Colporteur stiefelt 
über Berg und Thal, über Stock und Stein 
und entleert auch in der Hütte des Aelplers 
aus seiner schmutzigen Mappe ihren noch 
schmutzigeren Inhalt; beim zehnten Hefte 
wird der alpine Abonnent unzufrieden mit 
seinem Lose der Arbeit in Sonnenglut 
und Wintersturm, beim zwanzigsten Hefte 
murrt er über seinen Gott und Glauben, 
am Schluffe des Werkes ist der Steinklopfer 
ein Socialdemokrat, freilich nicht von so 
reinstem Wasser wie die Quelle seiner Berge. 
Arm ist er geblieben, aber gefährlich ist er 
geworden. 
Es ist unleugbar, dass die Beschaffenheit 
unserer heutigen Literatur die größte Vorsicht 
und die schärfste Controle erfordert, gerade in 
unseren Tagen, wo der verstärkte Wissensdrang 
auch eine verstärkte Nachfrage hervorruft. 
Die Gegner, mit Scharfblick den Einfluss 
der Literatur erkennend, arbeiten im ganzen 
Reiche, in Stadt und Land, auf dem Gebiete 
der Volksbibliotheken mit Opfern an Geld 
und Arbeit, an Zeit und Mühe. Lernen wir 
von den Gegnern und scheu n wir, wie diese, 
keine Opfer. 
Den Einfluss verderblicher Literatur auf 
Volk und Jugend nach Möglichkeit abzuhalten 
für die ausländische theure Schundliteratur 
einen denkbar billigsten, einen gesunden Ersatz 
zu bieten, ist ein Gebot der Nothwendigkeit. 
Die brennende Frage der Gründung einer 
katholischen Leihbibliothek lag Sr. Gnaden 
dem Hochwürdigsten Herrn Bischöfe Dr. 
Doppelbauer schon längst am Herzen; sie 
wurde von Sr. Gnaden dem Hochw. Herrn 
Dompropste Piuzger in ihrer Tragweite 
voll und ganz erkannt, durchstudiert und 
mit Wärme fasste der Hochw. Herr Obmann 
diese Angelegenheit als ein Apostolat des 
katholischen Pressvereines auf und räumte 
mit Kraft manche Hindernisse beiseite. Wenn 
Gott Wohlthäter und mit diesen Bücher 
sendet und spendet, kann die kathol. Leih
	        
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