Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1898 (1898)

(87) 
Büblein glaubte es in diesem wichtigen 
Augenblicke beim bloßen Zupfen nicht be 
wenden lassen zu dürfen, sondern riss kräftig 
am Talare. Der Blinde griff nach seinem 
Hute, drehte sich jedoch nach der falschen 
Seite um und rief seinem Nachbar, einem 
armen Hirten aus dem Walserthale, ein 
donnerndes „Hoch, hoch, Vivat" zu. Der 
Kaiser nahm lächelnd den Irrthum des 
Pfarrers wahr, ohne jedoch die Ursache zu 
kennen und sagte, an den begeisterten Vivat 
rufer herantretend: 
„Hochwürdiger Herr, sind das Ihre 
Pfarrkinder?" 
„Majestät," antwortete der Blinde, den 
sein Ministrant wieder in die richtige Stellung 
gebracht hatte, „ich habe schon seit Jahren 
meine Pfarrkinder nicht gesehen, denn ich 
bin blind." 
„Blind! O, Sie Armer," rief der Kaiser, 
„warum haben Sie den beschwerlichen Weg 
hieher gemacht? Haben Sie ein Anliegen 
auf dem Herzen? Wenn ich etwas thun kann, 
soll es geschehen." 
„Ist schon geschehen," sagte der Pfarrer, 
„mein einziger Wunsch war nur, in der Nähe 
Euer Majestät zu stehen und Ihre Stimme 
zu hören, wenn ich auch Ihre Gestalt nicht 
zu sehen vermag. Jetzt ist auch dem blinden 
Pfarrer von Ebnit Heil widerfahren und 
gerne steige ich die sechs Stunden wieder 
den Berg hinauf, in mein Pfarrdorf. »Gott 
erhalte, Gott beschütze unsern Kaiser, unser 
Land,« dieses schöne Lied werde ich mit 
meinem Ministranten auf dem Heimweg 
singen, bis mir der Athem ausgeht." 
„Sechs Stunden her und sechs Stunden 
heim, seinem Kaiser zulieb'," sagte Franz 
Josef und zerdrückte in seinem Auge eine 
Thräne der Rührung. „Beten Sie am Altare 
des Herrn für mich und mein Volk." 
Der Kaiser fand auf der ganzen Reise 
durch Vorarlberg Liebe, Verehrung und An 
hänglichkeit bei seinen Unterthanen, aber den 
rührendsten Beweis der Liebe hatte ihm der 
blinde Pfarrer von Ebnit gegeben. 
* 
Wer noch viele der edlen Charakterzüge 
und Denkwürdigkeiten aus dem Leben des 
allerhöchsten Jubilanten Kaiser Franz; Josef I. 
erfahren will, dem sei „Ferdinand Zöhrer's 
Kaiserbuch" warm empfohlen, worüber das 
erste Inserat im Anhange dieses Kalen 
ders Auskunft gibt; ebenso findet der Leser 
noch viele solcher „Kaiser-Anekdoten" in 
„Ferdinand Zöhrer's österreichischem 
Fiirstenbnche", das in jeder Buchhandlung 
fein gebunden um den Preis von ö. W. 
fl. 2'50 erhältlich ist. 
Tngsbuch dsr Hsitigsn. 
Sn einer Keil'gen Pagebuch 
Hab' ich so off, so gern gelesen 
KnS immer ist vom HrSenstuch 
Kabei Sie Keele mir genese«. 
Ho« einem Herren tzat's erwählt, 
Kem früh sein schwaches Ulrich Zerbrochen, 
Kas mitten in Sen Kotzn Ser Kett 
Kas Kort Ser Aiebe tzat gesprochen. 
Kas stets Sen Keg Z« seinem -Dott 
KnS seines KrenZes Prost gefnnSen, 
Kas, SlutenS «och, sich frenöig bot 
K« «enen, schwere« KarterstunSen. 
^ott Kank, Sass ich noch Kraft «nS Kicht 
Kars S'rans in meine Keele sangen! ■—- 
Kas Pagebuch, so fromm, so schlicht, 
KinS meiner Kutter KnlSeräuge«. 
L. I. Bermanschlägcr.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.