Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1894 (1894)

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Ihn lobten und Priesen sie und in den Herzen 
seiner treuen Diöcesanen hallte es freudig wieder: 
„Du bist Jerusalems Ruhm, Du Israels Freude, Du 
unseres Volkes Ehre. Denn männlich hast Du ge 
handelt, und muthvoll war Dein Herz, weil Du die 
Keuschheit geliebt'; deshalb hat Dich die Hand des 
Herrn gestärkt und wirst Du gesegnet sein in Ewigkeit". 
(Judith 15, 10, 11.) 
Es naht der 29. November 1894. Es füllt sich 
das erste Decennium, seit unser Bischof in die Ewig 
keit gegangen. Er hat den guten Kampf gekämpft 
und den Glauben bewahrt, darum ist ihm hinterlegt 
worden die Krone der Gerechtigkeit. Zur Feier jenes 
Tages wollten wir das Blümlein „Unschuld" pflücken 
in seinem Tugendgarten und es ehrfurchtsvoll auf 
sein Grab niederlegen. Wie sonst so oft, so war auch 
bei ihm, dem großen Bischof, die Herzensreinheit 
die Frucht beharrlicher Wachsamkeit, die Frucht ernster 
Strenge, die Frucht des Gebetes, die Frucht groß 
müthiger Selbstüberwindung und heroischer Nachahmung 
der Heiligen — die Quelle zugleich seiner geistigen 
Frische und Kraft, die Quelle heilsamen Einflusses 
auf andere, die Quelle trostreicher Erinnerungen im 
späteren Alter, und besonderer Erleichterung in der 
ernsten Stunde des Hinganges, die Quelle vorzüglicher 
Verherrlichung im Reiche der Glorie. 
Und wenn's denn solch' ein Blümlein ist, 
Was säumst Du noch, mein frommer Christ? 
Pflanze nur das Blümele.in! 
Sehet die Lilien, sie weben nicht und nähen nicht, 
und doch sind sie schöner gekleidet, als Salomon en 
all' seiner Herrlichkeit (Matthäus 6, 20, 29). 
A. M. D. G. 
Ein Gang durch Dlk-Wn). 
Ein Geschichtsbild von Ferdinand Zöhrer. 
OH— 
s ie Heimatsliebe ist dem Menschen angeboren, 
mag auch diese Heimat beschaffen sein wie 
immer, sie wird von den Eingebornen innig 
geliebt, die an ihren Eindrücken empfinden und denken 
gelernt, sie ist und bleibt für jeden Menschen die Ur 
quelle seines geistigen Wesens und für das ganze Leben 
seine Liebe, seine Sehnsucht. Der Neger liebt seine 
glühend heiße Wüste, der Eskimo seine kalten Eisfelder, 
der österreichische Aelpler schwärmt für seine hohen 
Berge, der Ungar für seine Tiefebene; der eine liebt den 
Wald, in dessen Dunkel seine väterliche Hütte stand, 
der andere das Meer, an dessem sonnigen Strande 
er als Kind mit Muscheln gespielt. Der eine ist stolz 
auf sein Großwien, der andere schämt sich nicht Klein 
münchens, in Mitte beider rangiert unser liebliches, 
freundliches Linz. An dieser Stadt werden die Leser 
gewiss Interesse nehmen, seien sie Einheimische, die 
sich gerne erzählen lassen, wie ihre Ahnen in der 
Vaterstadt gelebt und gelitten, gekämpft und gestritten 
haben, seien sie Fremde, die in Linz eine freundliche 
Gaststätte, im Erwerb oder Beruf vielleicht eine zweite 
Heimat gefunden haben. Es ist nicht Zweck meiner 
Skizze, eine ausführliche Geschichte zu erzählen vom 
Entstehen, Werden und Wachsen, vom Kämpfen und 
Ringen, unter welchem unsere Linzerstadt groß ge 
worden und ihre heutige, erste Stellung im Lande 
Oberösterreich gewonnen hat, sondern nur die Absicht 
leitet mich, mit den verehrten Lesern im Geiste einen 
Gang durch Alt-Linz zu machen, jene Stätten zu 
kennzeichnen, wo einst durch ihr Alter ehrwürdige, 
durch ihre Geschichte fesselnde, durch ihre Legende oder 
kirchliche Bestimmung geheiligte Bauwerke standen oder 
heute noch stehen und nur anderen Zwecken dienen 
als denen ihrer ursprünglichen Bestimmung; denn auch 
an Linz fließt wie an Wien nicht nur die schöne, blaue 
Donau, sondern auch der Strom der alles nivellierenden 
Zeit vorüber. 
DaZ historisch-interessanteste, aber auch das an 
Alter ehrwürdigste Profangebäude ist das Schloss, 
dem Linz sein Entstehen und seinen Namen verdankt. Dass 
an Stelle des Schlosses eine Kelteuansiedelung gewesen, 
beweisen die Ausgrabungen von Thongefäßen mit den 
keltischen Töpfernamen Oprax und Biturix. Um die Mitte 
des dritten Jahrhunderts vor Christo war ja das Volk 
der Kelten in unser Land eingewandert, machte 
sich mit dem Rechte des Stärkeren sesshaft und be 
gann das Land durch Rodung der Urwälder, durch 
Trockenlegung der damaligen Sümpfe zu cultivieren. 
Die Kelten waren ein kriegerisches Volk, das in 
schimmernden Rüstungen in den Krieg zog, aber auch 
der Arbeit des Friedens nicht auswich. Die einen 
trieben Rinder auf die Weiden und Alpen, die anderen 
stiegen in die Tiefe der Berge und gruben nach Salz. 
. An geeigneten Plätzen legten sie Dörfer an, die Fun 
damente der größeren Städte unseres Landes. Die 
Kelten waren Heiden. Wir sehen in stiller Nacht ihre 
Oberpriester — Druiden genannt — int rothen 
Prachtgewande die Bergeshöhe hinansteigen, wo im ge 
heimnisvollen Dunkel des Waldes der rauchende Opfer 
altar stand, vom Volke in ehrfurchtsvollem Schweigen 
umgeben. Daselbst dankten die keltischen Priester dem 
Kriegsgotte Eros für einen errungenen Sieg, baten 
den Sonnengott Belen um einen freundlichen Strahl 
gegen die Kelten und den Taranis oder Donnergott, 
dass er ihre Feinde zerschmettere. Die keltischen Druiden 
gaben sich mit Wahrsagen ab, den Untergang der 
Freiheit ihres Volkes sahen sie aber doch nicht voraus. 
Im Jahre 15 vor Christo waren die Römer, 
die mit ihrem kurzen Schwerte alle Nachbarvölker 
bezwungen hatten, auch in unsere Gegend eingedrungen 
und bevor die Kelten von ihrer Ueberraschuug sich 
erholt hatten, saß ihnen schon das Joch der Fremd-
	        
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