Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1894 (1894)

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zuvor. Damals kamen so eigentlich die Tanzmeister 
auf und sieht man die hundert Arten von Tänzen 
jener Zeit, stille, fromme, wilde und ausgelassene, 
vom feierlichen Schritte bis zur tollen Capriole, so 
ist man versucht, dies tolle Jahrhundert das Jahr 
hundert des Tanzes zu nennen. Doch der Heilige hielt 
sich natürlich ferne davon. Ausdrücklich machte er die 
oben erwähnte Bedingung. Sie wurde auch angenommen. 
Aloisius trat also in den Saal, in dem eine große 
Anzahl adeliger Herren und Damen versammelt 
war. Kaum aber hatte er Platz genommen, als eine 
Dame auf ihn zutrat und ihn zum Tanze einlud. 
Unwillig stand Aloisius auf und verließ- ohne ein 
Wort zu sagen, den Saal. 
Lange Zeit suchte ihn der 
Oheim vergebens im ganzen 
Hause, endlich entdeckte er 
ihn in der Bedientenstube, 
wo er zwischen einem Bette 
und der Wand im Gebete 
kniete. Der Oheim wagte 
nicht, ihn anzureden und zu 
stören, sondern entfernte sich 
voll ehrfürchtiger Scheu. 
Doch zurück zu Fränzle 
und seiner Geschichte. Die 
Besucher kamen später in 
einer anderen Studenten - 
Wohnung zusammen. Viel 
leicht hätte man auch Fränzle 
wieder zur Unterhaltung ge 
laden. 
Du liebes Kind, komm' geh' mit 
mir, 
Gar schöne Spiele spiel' ich mit 
Dir — 
Doch das Fränzle hatte 
genug gesehen. Er gieng nicht. 
Und es war gut so. Böse 
Gesellschaften darf man nicht 
besuchen. Sie verderben gute 
Sitten. Bald wurde unsere 
Abeüdgesellschaft und die Ur 
sache ihres Zusammenkommens entdeckt. Es gab eine 
Untersuchung. Diese erstreckte sich auch zurück in Fränzles 
Wohnung. Auch er musste ein peinliches Verhör bestehen. 
„Wurde in solchen Conventikeln unanständiges gethan 
oder gesprochen?" „Gethan nicht, erzählt ja." „Was 
wurde unanständiges erzählt?" Die Antwort war 
absolutes Schweigen. Diese Frage wurde eine halbe 
Stunde hindurch mit denselben Worten wiederholt, 
aber ebensolange blieb die Antwort dieselbe. Eine 
unüberwindliche Scheu, das minder anständige vor 
zubringen, hatte dem Zartsinnigen den Mund 
geschlossen. 
Sehet die Lilien! Weiß sind sie, und keine Makel 
haftet an ihnen. 
Und 's Fränzle ermüdete nicht in der eifrigen Nach 
ahmung des hl. Aloisius. Wo er konnte, fügte er 
ein neues Blümlein zum herrlichen Tugendstrauße. 
St. Aloisius war das Opfer im Dornstrauche 
der Buße und Entsagung — Fränzle war auch 
hierin sein gelehriger Schüler. Willst du wissen, freund 
licher Leser, auf welche Weise unser Studentlein gewisse 
Nächte z. B. Vigilien zuzubringen pflegte, so blick' in 
das Leben seines heiligen Patrones, der ihm auch hier 
ein Vorbild und Muster gewesen. Und willst du 
weiter wissen, wie strenge das Fränzle sich selber 
beurtheilte, so blick' in sein Tagebüchlein, wo er Jahr 
für Jahr am Geburtstage sich Rechenschaft gab über 
seine Fortschritte in Wissenschaft und Tugendleben 
und lies: „Bisher lau mit dem festen Entschlüsse der 
Besserung Schon der neunzehnte Geburtstag, 
schon so reich an Jahren und noch so arm an Tugend 
und Wissenschaft. Ein großer Theil der Zeit ist schon 
vorüber, großentheils unnütz vorüber, darin ist so 
wenig gethan und wenig 
Zeit bleibt mehr, aber um 
somehr noch zu thun. Spät 
zwar, aber desto rüstiger will 
ich an das Werk" — sag an, 
spricht unser Fränzle nicht 
ganz die Sprache des 
hl. Aloisius? Und lies weiter, 
lieber Leser: „Ich habe nun 
gebeichtet und trete, wie ich 
hoffe und zuversichtlich 
glaube, mit reinem Herzen 
in mein zwanzigstes Jahr. 
Das Alter macht mich nun 
bald znm Manne, möge dies 
auchdemGeiste nachgeschehen. 
Und bei Gott, er soll es, 
er muss es, denn frei und 
unbeherrscht von jeder 
äußeren Macht muss er sich 
doch selbst gehorchen, muss 
er dem kräftigen, unbeug 
samen Willen gehorchen. . .. 
Schenke mir o Gott, Arbeits 
liebe, Pflichteifer und Weis 
heit. Gott, ich, Welt!" So 
war auch unser Studentlein, 
dem heiligen Jüngling von 
Gonzaga gleich, ein Opfer 
im Dornstrauche ascetischer 
Buße und Entsagung und 
— „da ist am Rosendorn' vor Lust die Ros' ent 
sprungen" : Das Blümelein der Unschuld gedieh und 
wuchs und ward unter des sorgsamen Gärtners Hand 
zur blendend weißen Lilie. 
Pflanzet nur das Blümelein! 
Groß war die Verehrung, die Aloisius der un 
befleckten Gottesmutter zollte. Die Marienverehrung 
ist jederzeit ein Zeichen der Auserwählung für den 
Himmel gewesen. Und das Fränzle folgte auch hierin 
dem Beispiel seines heiligen Meisters. Vom zweiten 
Jahre seines Aufenthaltes in Innsbruck an pflegte 
das Studentlein täglich die Tagzeiten zur unbefleckten 
Gottesmutter zu beten, die Lobgesänge zu den Horen 
enthielten namentlich großartige Bilder aus dem 
alten Bunde unter Anwendung auf Maria, die 
seinem Verstände, wie es scheint, zu denken und der 
Phantasie kostbare Nahrung boten. Was für Er 
innerungen mochten das Fränzle geknüpft haben an 
den Altar der Gnadenmutter in „Maria Hilf!" Ihr 
Altar war seine Zufluchtsstätte während vieler seiner 
Uerschgang Bischof Rudigier.
	        
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