Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1894 (1894)

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Dass Vater Martin als tüchtiger Bauer sich viel 
Schweiß und Mühe kosten ließ, beweist, dass er seine 
Gründe so weit verbesserte, daß er den Stadel um 
die Hälfte zu vergrößern genöthigt war. Wo Gestrüpp 
und Pfütze war, entstanden bald wuchernde Wiesen- 
matten, die Aecker verbreiterten sich über angrenzenden 
Heckenboden und Mergelzüge überbreiteten jeden Winter 
Felder und Wiesen mit fruchtbarem Erdreich. Der 
Obstgarten vermehrte sich alljährlich um ein Dutzend 
Bäume, deren Obsorge und Veredlung besonders 
Franzens Sorge war, der um neue Edelsorten die 
weitesten Wege nicht scheute. Gruben und Lacken, vor 
dem ein willkommenes Heim für Hecht und Weißfisch, 
welche nun aus ihrem Reich verdrängt, der buntge 
sprenkelten Bachforelle im klaren Kieselbache unter 
Hasel- und Elxengebüsch das Quartier streitig machten 
und schließlich ganz ausrotteten,- mussten sich zu neuem 
Fruchtboden füllen. Das alles kostete viel Schweiß 
ilnd Mühe und bei der schmalen Küche schließlich das 
Leben des thätigen und besorgten Vaters der durch 
die unglücklichen Zeitverhältnisse verarmten Familie. 
Als er sein nicht entferntes Ende ahnte, war die 
Nachfolge im Hausbesitze seine Obsorge und darob 
kehrten trübe Stunden ein. In gar ferner Zeit hieng 
das Vaterherz Jsaks an dem rauhen und thatenreichen 
Esau und das Mutterherz Rebekkas an dem sanften 
Jakob und ähnliches galt auch hier. Der ältere Sohn 
Hans hatte schon langjährig in Feld und Haus 
thatkräftige Unterstützung gebracht, während Franz 
mit Fidel und Flöte, womit man kein Bauerngut be 
wirtschaften kann, dem Vater heftigst zuwider war, 
der sich schon seit beinahe zwanzig Jahren über den 
ihm unausstehlichen Höllenlärm im Hause beklagt und 
den Musikanten längst dem Bischof ins Wälschland 
nachgewünscht hätte. Die Mutter jedoch wusste sich 
vor Entzücken nicht zu fassen, wenn Franz ihr an 
hohen Festen gleichsam als dankbaren Kindesgrnß die 
wundervollen Töne vom Chor in das Kirchenschiff 
herniedersandte und Beter itub Beterinnen Buch und 
Rosenkranz zur Seite legten, um in andächtiger 
Rührung diesen Himmelsklüngen zu lauschen. Zudem 
war es ja seine Obsorge für Baumcultur, dass sich 
die Truhen mit gedörrten Birnen, Zwetschken und 
Spalteln füllten, eine wahre Labsal nach den trockenen 
Hungerjahren. Dass er Gewächse, Falter und Vögel 
zu nennen wisse und ihre Wiederkehr im Frühjahre 
bejuble, sei doch nicht Unrecht, da ja auch die heiligen 
Bücher dem weisen König der alten Zeit nachrühmen, 
dass er alle Gewächse von der Ceder des Libanon 
bis zum Isop gekannt habe und immer kann es ja 
doch nicht Winter sein, da man sich an den lieblichen 
Natnrgebilden nicht erfreuen dürfte. Zudem verstehe 
und verrichte er jeden Handgriff in Scheuer, Stall 
und Feld ebensogut als Hans und sei noch dazu der 
jüngere, der ja gewöhnlich überall das Hans überkommt. 
Und beim Spieltisch habe man ihn noch gar nie ge 
sehen, wie so häufig den Hans, dem oft der Tag 
zu kurz wird. So würde wohl des Haders noch lange 
kein Ende geworden sein, wenn nicht ein sonderbarer 
Vorfall Wendung gebracht hätte. 
Erzbischof Gaisruck konnte sein liebes Kallham 
nie vergessen. Cr nahm seine Hofdienerschaft sowie 
seine Mnsikkräfie für seinen herrlichen Doni zu Mai 
land mit Vorliebe aus Kallham und den untergeord 
neten Vicariaten Taufkirchen, Pötting und Wendling 
und thatsächlich befanden sich in jenen Zeiten namentlich 
zu Kallham und Taufkirchen hochbefähigte Lehrer und 
Kantner, tvie Markut, Pairleithner und andere. Dieser 
Umstand war eine der Ursachen des Hasses gegen den 
deutschen Grafen und die mit ihm gekommenen deutschen 
Hunde. So hatte er auch vom blauäugigen Fränzlein 
in Erfahrung gebracht, dass seine Befähigung in 
Musik hohe Ausbildung erfahren hatte, daher that 
sächlich eine Einladung nach Mailand ergieng. Den 
grollenden Sinn seines Vaters kannte er zu gut, als 
dass er sich Hoffnung auf das heimatliche Gut ge 
macht hätte und so war er nahe daran, der Einladung 
zu folgen, beschloss jedoch, darüber mit Julie zu sprechen, 
welche er im vorigen Jahre bei der Primizfeier zu 
Tanfkirchen zum erstenmale gesehen und seither in 
Kopf und Herz getragen hatte. 
Der Entschluss für Mailand bereits durch Juliens 
Weigerung wankend gemacht, wurde durch darauf 
folgenden Vorfall noch mehr erschüttert. 
Als er mit feuchtem Auge und stummem Hände 
druck von Julie Abschied genommen, wurde er sich 
inne, dass nächtliches Dunkel über Wald und Flur- 
gelagert war und so schnitt er sich, nachdem er am 
Weiher den am Nachmittage geschauten, nun durch den 
dunklen Mantel Nacht überdeckten Naturbildern kurze 
Erinnerung geweiht, eine für jene unsicheren Zeiten 
nothwendige Sicherheitsstütze vom Haselstocke, indem 
er seinen nachbarlichen Genossen bereits zuhause an 
gekommen wähnte. Als er etwa hundert Schritte im 
Walde von der Straße auf den Gehweg zum Holz- 
mair abbiegen wollte, sprang eine dunkle Gestalt aus 
dem dunklen Waldessitz mit dem Rufe: „Hallunke! 
was hast Du hier in Höhenberg zu suchen?" Schnell 
entschlossen hieb Franz einigemale tüchtig auf die 
Schurkengestalt los, welche nun ebenfalls vom Leder 
zog und die erhaltenen Haselgrüße wacker zurückzahlte. 
Franz machte jedoch bald Kehrtum und entfloh auf 
anderem Wege eiligst in sein Elternhaus. 
Tags darauf kam er nicht vom Bette. Scheu vor 
den Eltern war es, aber auch heftiger Schmerz im 
zerschlagenen Kopf. Seine Mutter trat zu ihm und 
vor ihr entrollte er ein Bild, wie er Julie gesehen 
und nicht vergessen könne, wie er in der Kirche ge 
betet und Julie von Italien abgerathen habe und er 
schließlich zu den Schlägen gekommen sei. Zitternd 
führte nun die besorgte Mutter ihren harten Mann 
zum Krankenbette, vor dem nun Franz wieder alles 
in kindlicher Aufrichtigkeit erzählte und noch beifügte, 
Julie habe Recht, dass er nicht nach Italien gehe, 
da er bereits Schläge genug habe, um nicht dort 
durch noch größere Menge derselben gänzlich erliegen 
zu müssen. 
Jetzt kamen bittere Stunden. Vater Martin wusste 
nicht genug über die ausgearteten Buben zu toben, 
da der eine mit zerschlagenen Gliedern im Bette liege, 
der andere noch gar nicht zuhause sei. Letztere Nachricht 
durchzuckte schmerzlich Mutter und Sohn, es dämmerte 
in Beiden schreckliche Ahnung über Zusammenhang 
des Ueberfalles. Mutter Therese machte sich allsogleich 
ans den Weg ins Brunnholz, es kam ihr aber alsbald 
Hans mit der Bemerkung entgegen, er habe beim
	        
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