Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1894 (1894)

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Thore, mit Fallgittern versehen, bringen Abwechslung 
in die Front des Gemäuers. Mancher der Leser 
kennt noch vom Hörensagen der Großeltern her das 
obere und untere „Wasserthor". Die Neuthorgasse 
erinnert uns heute noch an das dort befindliche 
„Neuthor"; die Schmidthorstraße hat ihren Namen 
vom „S chmidthor" mit dem schön bemalten, wappen 
geschmückten „Schmidthurm", welcher der Straßen 
erweiterung zum Opfer fiel. 
An Stelle der heutigen eisernen Gitterbrücke be 
fand sich, wohl etwas oberhalb, die hölzerne Joch 
brücke, die im Mittelalter mit eisernen Fallgittern 
abgesperrt werden konnte. Eisstöße und Hochwasser, 
schwere Schiffe setzten diesem Ungethüme seit Jahr 
hunderten immer und wieder hart zu, bis ihr im 
Jahre 1868 ein Dampfer in die Quere kam und sie 
theilweise rasierte. In ihren Trümmern bildete die alte 
Holzbrücke den Haufen Elend von Linz, den die 
Neuzeit schnell beiseite räumte. Die neue Gitterbrücke 
trügt den Schienenstrang der Tramway, die frühere 
Holzbrücke trug die erste uud älteste Eisenbahn 
der Monarchie, ja vom ganzen europäischen Con- 
tinente. Die Wiener eröffneten im Jahre 1865 die 
erste Tramwaylinie nach Dornbach, die Linzer fuhren 
schon 30 Jahre früher auf der Pferdebahn nach 
St. Magdalena und nach Zizlau. 
Auch die nächste Umgebung von Linz weist 
Namen auf, die einer Erklärung bedürfen. In den 
Tagen unserer Väter war es noch nicht Sitte, vielleicht 
Unsitte, allsommers „auf das Land zu gehen". Noch 
lag die kleine Stadt im thaufrischen Grün weich ge 
bettet, noch war die Luft von keinen Rauchwolken er 
füllt, wie sie heute die Dampfbootschlote, die Heizhäuser 
des Bahnhofes und die Fabrikskamine entqualmen. 
Während die unteren Zehntausend ihr höchstes Ver 
gnügen fanden bei einem guten Mostbauern, der 
übrigens auch kein schlechter Mensch sein durfte, 
den Staub des Alltagslebens aus der Kehle zu waschen, 
machten es sich die Adeligen und die reichen Handels- 
Herren auf ihren Landsitzen außerhalb der Stadtthore 
recht bequem. Im Westen der Stadt waren der 
Wehr Hof und der Stockhof solche Edelsitze, von 
der Anhöhe grüßten die „Gugl" und das „Berg- 
schlössl" herab, dann das Schlösschen Gutast (heute 
Jägermayr), aber auch im Osten der Stadt, wo die 
Auen lagen, mit dichten Bäumen besetzt, von Licht 
ungen durchzogen, in welchen die Seitengewässer der 
Donau wie. Augen, hell und groß, aufleuchteten und 
die üppige Vegetation einen Naturpark geschaffen, 
lugten die Landsitze aus dem Grün hervor. Dort 
saßen die Ekhart von der Than auf ihrem Edel 
sitze (heute Gebäranstalt), in der Nähe hatten die 
Freien von Kaplan ihre Besitzung (heute Kaplanhof) 
und tief im Grün der Auen versteckt hatte Bruno 
Seiler, der treue Freund und Buchhalter des vorhin 
genannten Bürgermeisters Johann Adam Prunner, 
seine stille Behausung, wo er am Abende seines Lebens 
ausruhte; heute noch kennt und nennt das Volk von Linz 
das „Seilergütl". Wandern wir weiter der Stadt zu, 
so kennzeichnet uns ein eiserner Handschuh an der 
Außenmauer den ehemaligen Grafensitz der Mont 
fort, im Volksmunde heißt das umfangreiche Gebäude 
die „Eiserne Hand." Durchwandern wir die Neu 
stadt, so sagt uns schon der Name, dass in. diesem 
Viertel für einen Beschreiber von Alt-Linz nichts 
zu suchen, aber die Marktstraße gestattet uns einen 
Blick ans die Südfront des Karmelitenthurmes 
und in diesem steckt ein Stück von Alt-Linz ein 
gemauert, eine von den 200 Bomben, welche bei der 
Belagerung von Linz im Jahre 1742 auf das von 
500 Franzosen besetzte Karmelitenkloster gefallen und 
dieses dem Untergange nahegebracht hatten. Das 
„Kroatendörfl" ist ebenfalls eine Erinnerung an 
diese traurigen Tage und an die Panduren Trenks, 
die dort gehaust. 
Erhaben über alle diese genannten und ungenannten 
Denkmale aus Alt-Linz, die den Wandel der Zeiten 
durchgemacht, steht ein Denkmal aus Nen-Linz, der 
Mariendom. Dieses Meisterwerk gothischer Baukunst 
steht auf den Fundamenten des frommen Glaubens 
seines Gründers und ersten Bauherrn, des hochseligen 
Bischofes Franz Josef Rndigier, auf deck der felsen 
festen Hoffnung zu Gott um ein glückliches Gedeihen 
und Vollenden des herrlichen Werkes, dann auf dem 
Fundamente der Liebe des Volkes von Oberösterreich 
zur Maria Immaculata im Himmel und zu dem 
Gnadendome auf Erden. Jahrzehnte werden noch ver 
gehen bis zur gänzlichen Vollendung des Riesenbaues, 
doch mit Gottes Gnade können viele der Leser noch 
die Vollendung des herrlichen Thurmes erleben. 
Wenn einmal die 120 Centner schwere Hauptglocke 
— eine Gabe des katholischen Volksvereines von 
Oberösterreich — ihre majestätischen Klänge ins 
weite Land hinaussendet, wenn die „Immaculata" im 
Dome von Linz zum „Ave" ruft, dann wird mancher. 
Greis auf Bergeshöh'n sein Haupt entblößen, manch' 
altes Mütterlein im Thale seine zitternden Hände 
falten und im Gebete derer denken, die am Dome 
gebaut. Im Schimmer der Morgensonne wjrd das 
Kreuz auf dem Thurme erglänzen und im Golde der 
Abendsonne verglühen; vom Donaustrand bis zur 
Alpenwand werden die Menschen die Stelle wahr 
nehmen, die geheiligte, wo Bischof Rudigier von Linz 
und seine Nachfolger im Vereine mit dem Volke von 
Oberösterreich der Himmelskönigin ein herrliches Monu 
ment erbaut, das die kommenden Generationen hüten 
mögen für und für. 
Wenn wieder Jahrhunderte vergangen, wenn unser 
heutiges Neu-Linz auch wieder ein Alt-Linz ge 
worden, dann werden die Menschen vor dem Wunder 
bau stehen, und staunend ausrufen: „Die einst daran 
gebaut, unsere Großväter, sie waren ein ehrbar Ge 
schlecht. Der Herr schenke ihnen seine Ruhe und Maria 
erflehe ihnen des Himmels Frieden für dieses herrliche 
Erbe aus frommen Zeiten".
	        
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