Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1894 (1894)

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Biegen wir um die Ecke, so lässt uns das alte 
Schadler'sche Haus in der oberen Pfarrgasse das 
erste Stiftshaus von Mondsee erkennen. Der 
Stadtpfarrkirche gegenüber war das Stift Garstner- 
haus, seit 1807 in ein Lyceum für theologische und 
philosophische Studien verwandelt, das längst wieder 
aufgehoben wurde. 
Durch die Rathhausgasse gelangen wir zum Franz 
Josef-Platze, dieser Centralmarkthalle ohne Dach 
für die hungerigen Linzer, ffenen die ehr- und tugend- 
samen Hausfrauen den Tisch decken. Wo heute manch 
spitziges Zünglein einer Händlerin zu hören, da 
klirrten vor Jahrhunderten die Spieße der Ritter; 
wo heute manche jungfräuliche Marktgeherin als 
Wassernymphe dahinschwebt, da floss hellrothes Männer 
blut, denn der Franz Josef-Platz war bis ins Zeit 
alter Kaiser Friedrich III. eine „Streitwiese", ein 
Turnierplatz gewesen und diente auch später noch als 
solcher. Hier waren Erzherzog Ferdinand und seine 
Gemahlin Anna an ihrem schon erwähnten Hochzeits 
tage Zeugen, wie der oberösterreichische Ritter Seba 
stian von Losenstein im Turniere einen spanischen 
Maulhelden, der deutschen Muth und oberösterreichische 
Kraft beschimpfte, mit seinem Doppelhänder in den 
Sand hinstreckte und dem Spanier das Wilde her 
unterputzte. Hier stand im Mittelalter bis 1716 unserer 
Zeit hinein der Pranger und manche böse Sieben 
stand darauf, die Beißkatze, eine Art Maulkorb, 
umgebunden, der Zunge zur Wehr, dem Volke zur 
Lehr. Doch werfen wir keinen Stein auf die Sünderin. 
Es war in jenen guten alten Zeiten nicht schwer, be 
straft zu werden; manche Gerechte, 'die heute im Lichte 
milder Gesetze stolzen Hauptes einherschreiten, wären 
im finstern Mittelalter mehr als siebenmal des Tages 
gefallen. 
So bestimmte Kaiser Maximilian I. in seiner 
interessanten „Polizeiordnung"-, die er im Jahre 
1518, also ein Jahr vor seinem Tode, für Ober 
österreich herausgab, hohe Strafen für Dienstboten 
und Taglöhner, welche zu großen Lohn begehrten, 
für Fürkäufler, welche die Lebensmittel verthenern, 
für jene Wirte, welche bei Hochzeiten und Kindstaufen 
zu hohe Zechen machen, dann für die Kaufleute, welche 
das vom Auslande bezogene Tuch strecken, wodurch 
es länger, aber viel schwächer wird, dann hohe Strafen 
für die Krämer, welche wilden Safran unter den 
echten mischen; alles ganz so wie in der Gegenwart. 
Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter, ist todt und 
die Taglöhner und Dienstboten, die Fürkäufler und 
Krämer, die Wirte und Kaufleute der Neuzeit freuen 
sich, dass er nimmerkehrt und seine Polizeiordnung 
außer Kraft ist. 
Nun hieß es in jenem Maximilianischen Straf 
gesetze aber auch: „Die in öffentlichen Gesellschaften 
einander zutrinken oder den Trunk bringen, die sollen 
in den Städten in „die öffentlichen Narrenhäusel", 
auf dem Lande in ein anderes Gefängnis gelegt und 
drei Tage bei Wasser und Brot gehalten werden." 
Dieses Gesetz war allerdings gerechtfertigt in jener 
Zeit, in welcher ein Steinkrug mit zwei Maß auf 
Einen Zug regelrecht geleert werden musste; wenn 
nun fünf Bekannte einem sechsten den Willkommtrunk 
reichten, war der Narr bald fertig. 
Nun verzeihen die Leser den Salto mortale in 
die Sittengeschichte von Linz und folgen mir wieder 
im Geiste auf den Franz Josef-Platz. 
Wo heute die Fischer an Fasttagen die Hechte und 
Huchen abschlagen, da stand in den Jahren 1627 bis 
1636 das Blutgerüste, auf welchem den Rädelsführern 
im oberösterreichischen Bauernkriege die Köpfe von 
Henkershand abgeschlagen wurden. Linz hatte in jenen 
furchtbaren Zeiten des Bauernkrieges während einer 
16wöchentlichen Belagerung viel gelitten. Tag und 
Nacht mussten die Bürger auf Befehl des bayerischen 
Statthalters Adam Grafen von Herberstorf an den 
Schanzen arbeiten und ihr Leben selbst in die Schanze 
schlagen. Als Stärkung dienten den Linzern Hunde- 
und Katzensteisch, da die Bauern jede Zufuhr ab 
geschnitten hatten. Als die Rebellen abgezogen waren, 
ohne Linz in ihre Gewalt zu bekommen, da ließen 
sie die Ruinen von 87 verbrannten Häusern als 
trauriges Andenken zurück. Auch der große Astronom 
Kepler, dem die Rebellen sein Häuschen in der da 
maligen Lederergasse (heute Keplerstraße) einäscherten, 
ward durch den Bauernkrieg von Linz vertrieben. 
Mancher der Leser hat den eisernen Ring auf 
dem Franz Josef-Platz vor dem Hause Körner schon 
wahrgenommen, ohne" seine Bedeutung zu kennen. 
Dieser Eisenreifen bezeichnet den Umfang der großen 
Stadtpfarrglocke, die 1693 vor ihrem Aufzuge dort 
abgeladen wurde. Im Hause Nr. 36 dort (heute Nr. 30) 
schaffte und wirkte Johann Adam Prunner, 
Bürgermeister und Handelsmann von Linz, der in 
folge eines Gelübdes aus dem Erträgnisse eines als 
verunglückt vermeinten Handelsschiffes auf der Stelle 
des damaligen Graf Grundemann'schen Edelsitzes 
Eggereck das Prunn erstift mit Kirche und Bene- 
ficium erbaute und selbes mit 158.000 fl. dotierte 
zur Erhaltung von 27 armen Männern, 27 armen 
Weibern und 27 Waisen. Das Testament dieses edlen 
Menschenfreundes weist für wohlthätige Zwecke der 
Stiftung und an Legaten nach außen hin die be 
deutende Summe von etwa 380.000 Gulden aus. 
Unter der' Regierung Kaiser Josef II. wurde das 
Benesicium zum Religionsfonde für einen Domprediger 
eingezogen, das Stiftsgebäude für die Gebär- und 
Irrenanstalt bestimmt, der große Garten zum Theile 
veräußert und die Summe der Stiftungscapitalien 
sammt den weiteren Ersparnissen zum Stiftungsfonde 
einbezogen. Aus diesem giengen Waisen- und Armen 
pfründen hervor, die heute noch bestehen und das 
Andenken Prunners im Gedächtnisse der Nachwelt 
fortleben lassen. 
Wir hätten nun unseren Gang durch Alt-Linz 
beendet. Dass unsere heute so friedlich und freundlich 
aussehende Stadt Linz.im Mittelalter, ja bis in die 
Neuzeit, bis zum Brande 1800, ein recht wehrhaftes 
Aussehen hatte, ist aus alten Abbildungen zu ersehen, 
die uns als Erinnerungsblätter ehrwürdig bleiben 
sollen, wenn sie sich auch längst überlebt haben. 
Wir sehen da die alte Kaiserburg auf dem Schloss 
hügel thronen, gezackt und gezinnt, gethürmt und ge- 
erkert. Wälle umgeben, Pallisaden umstarren den ge 
waltigen Bau, Wehrthürme flankieren seine Seiten. 
Die Stadt selbst ist mit Ringmauern ä la Jericho 
umzogen und 15 große und kleine Wartthürme und
	        
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