Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1894 (1894)

(86) 
Haus wohnten die berühmten Geschlechter Tilly, dann 
die Traun, im Gewerkschaftshaus die Sprinzen- 
stein. Vorbei ist es heute mit dem Glanze der alten 
Adelssitze in der Altstadt, die meisten der Geschlechter 
sind längst ausgestorben, ihre Wappenschilde zerbrochen 
und mit dem letzten des Stammes ins Grab gelegt. 
Bei den „Tandlern" in der Altstadt sucht der Anti- 
guitätenfreund nach Erinnerungen aus dem Mittelalter. 
Bei unserer Weiterwanderung werfen wir einen Blick 
nach dem Maurhardhause, in welchem Graf Ludwig 
Andreas von Khevenhiller, der berühmte Kriegs 
held unter Maria Theresia, im Jahre 1683 das Licht 
der Welt erblickte und die Erzherzogin Elisabeth, 
eine Schwester Kaiser Josefs II., eine Gegnerin un 
anständiger Frauenmoden, im Jahre 1808 starb. Sie 
ruht im großen Kupfersarge in der Gruft der alten 
Domkirche. 
Machen wir einen Seitensprung nach links, so 
lässt uns das heutige Tuchschererhaus in der H ahnen- 
gasse die Votivkirche zur heiligen Dreifaltigkeit 
erkennen, welche 1370 an Stelle einer Judensynagoge 
erbaut wurde. Ein Sprung nach rechts bringt uns 
zur jetzigen Wagschule. Wo heute zarte Mädchen 
in den Waffen des Geistes geübt werden, da rasselten 
einst bärtige Kriegsknechte im bürgerlichen Harnisch 
oder Zeughause mit den Hellebarden und ließen 
ihre Schwerter klirren. 
Wie klein noch zu Ende des 13. Jahrhunderts 
unser Linz gewesen, beweist die Thatsache, dass die 
Gegend um das jetzige Landhaus „in den Baum 
gärten" hieß; anschließend an diese Mostregion 
waren Weingärten, eine Bezeichnung, die heute 
noch im Kapuzinerviertel existiert; unseren klimatischen 
Verhältnissen entsprechend, mochte das freilich eine 
Sorte Wein gewesen sein, die mehr Kraft erforderte, 
sie zu trinken, als sie Kraft verlieh. 
Wenn der Leser durch das Landhaus weiter 
wandert, gewahrt er rechts einen von einem Säulen 
gange umfassten Hof mit einem Zierbrunnen; an 
dieser Stelle lag bis zum Jahre 1566 der Friedhof 
des Minoritenklosters. Wo heute die Kanzleien 
der Statthalterei und theilweise des Landhauses von 
Beamten belebt, da beteten einst, in einsamer Zelle 
Franciscaner- und Minoritenmönche; durch ein halbes 
Jahrtausend bestand das Kloster, das 1785 aufgehoben 
wurde. 
War die Altstadt im Mittelalter das Adels- 
viertel-, so konnte man bis in die Neuzeit herein 
die Herrengasse das Klosterviertel nennen, und 
manches Haus lässt uns durch äußere Verzierungen, 
durch innere Bauart heute noch die frühere Bestimmung 
erkennen. So war zum Beispiel das Estermann 
haus vom Jahre 1685 bis 1784 das Stiftshaus 
von Gleink, das Stroblhaus war 1729 bis 1791 
das Stiftshaus von M o n d s e e; an Stelle des 
heutigen Staatsgymnasiums stand das Stifts 
haus von Schlierbach, der heutige Bischofhof 
war vom Jahre 1721 bis 1784 das Stiftshaus von 
Kremsmünster. Das heutige Kloster der barm 
herzigen Brüder war ursprünglich Stiftshaus von 
Engelszell. 
Im heutigen Spitale der barmh. Schwestern 
ertönten einst statt der stillen Seufzer mancher Sterbens 
kranker laute und lebenslustige Lieder, statt der frommen 
Gebete der Nonnen kernige Flüche junger Bursche, 
denn dort war das — Recruten-Sammelhaus. 
Wir lenken von der Herrengasse nach links ein 
und gelangen zur Seilerstätte. Die Bauart der 
langen Mauer, die Namen „alter Gottesacker" 
und „Geisterburg" erinnern uns heute noch an 
die frühere Bestimmung dieser Gegend. Um Mitte des 
16. Jahrhunderts wurden nämlich die Friedhöfe der 
Pfarrkirche und der Bürgerspitalskirche aufgelassen 
und an die jetzige Seilerstätte verlegt; hier, „Kreuz 
point" genannt, stand seit 1658 die Barbarakirche 
mit Kaplan- und Messnerhaus. Im Jahre 1742 
wurde der jetzige Friedhof angelegt und mit dem 
„alten Gottesacker" verschwand auch die Barbarakirche. 
Wenden wir uns der Landstraße zu, so lassen uns 
das verschlossene Kirchenportal und die Bauart des 
heutigen Militär-Reconvalescentenhauses die frühere 
klösterliche Bestimmung erkennen. In der That befand 
sich hier seit 1344 das sogenannte „untereSiechenhaus", 
das 1757 von den barmherzigen Brüdern be 
zogen wurde, die 1789 in das aufgehobene Kloster 
der Karmelitinnen in der Herrengasse übersiedelten, 
wo sie jetzt noch die Werke der christlichen Nächsten 
liebe üben. 
Das heutige Neuhäusl ist eine Schöpfung des 
bayrischen Statthalters Adam Grafen von H erb er 
st orf, der sich durch Anlage einer Reihe niederer, 
aber nichtsweniger als niedlicher Häuschen bei seiner 
Generation beliebt machen wollte, sich aber durch dieses 
Andenken bei der jetzt lebenden sehr verhasst ge 
macht hat. 
Lenken wir unsere Schritte landstraßeneinwärts, 
so gelangen wir zum neuen Geyerhaus mit dem 
Cafö Central; manche der Leser erinnern sich noch 
an den langgestreckten Bau des Mittermüllnerhauses; 
selbes war einst ein Waisenhaus, 1715 vom 
Schneidermeister Heinrich Keller gestiftet, einem 
Schweizer, der in Linz eine zweite Heimat gefunden. 
An Stelle des „Gasthofes zum Schiff" stand seit 
1630 das „Bruderhaus der armen Leute" mit 
dem Kirchlein zur heiligen Dreifaltigkeit. 
Die Libliotlisüa kubliea, gegenüber tun 
Ursulinen, ist ebenfalls in einem ehemaligen Stifts 
hause von Baumgartenberg untergebracht, das 
1783 vom Stifte Kremsmünster übernommen 
wurde. 
Das jetzige Hamman-Schadlerhaus auf der Land 
straße lässt in seiner inneren Bauart heute noch das 
Stiftshaus von Lambach erkennen, während das 
St. Florianer- und Schläglerhaus heute noch 
im Besitze der genannten Klöster sind. 
Die „alte Post" auf der Landstraße war seit 
1334 das Bürgerspital für verarmte und müh 
selig gewordene Bürgersleute von Linz, auch für 
Kranke; die heutige Spittelwiese ist im Namen 
noch eine Erinnerung an die reiche Ausstattung des 
Spitales an Wiesen und Ackergründen; die Schiff 
mühle, die im Mittelalter an der Linzerbrücke klapperte, 
war Eigen des Spitales. Die kleine Oelberg 
nische, die heute noch eine Stätte der Andacht, ist 
der Rest der heiligen GeistkirchedesSpitales, 
gewöhnlich „Pfärrlein in der Vorstadt" genannt. Das
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.