Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1893 (1893)

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III. 
Das leibliche Befinden des Grafen machte er 
staunliche Fortschritte, so dass er schon nach einigen 
Tagen die Erweiterungsarbeiten an der Quelle persönlich 
in Augenschein nehmen und leiten konnte. Gleichen 
Schritt hielt das Wiedererwachen seiner Frohnatur. 
Ab und zu brachte Veit ein schönes Jagdstück 
nachhause und als es ihm eines Tages gelang, einen 
gewaltigen Hirsch zur Strecke zu bringen und das 
stattliche Geweih seinem gnädigen Gebieter überreichte, 
während das Uebrige in die Küche des Badehalters 
wanderte, um als saftiger Braten die frugalen Mahl 
zeiten der biederen Bründelgäste aufzubessern, sprach 
der Graf so etwas von „bereit halten" und unterzog 
eigenhändig sein Jagdgeräthe einer sorgfältigen Prüfung. 
Bald jedoch wandte er seine Aufmerksamkeit wieder 
ganz und voll den Werkleuten zu und kam gerade 
zurecht, als dieselben auf einen merkwürdigen Fund 
stießen. 
Es war ein sogenanntes „Mariahilfbild", ähnlich 
dem Gnadenbilde in Passau, bis auf den angefaulten 
Rahmen und die unteren Partien des Bildes, wo 
gewöhnlich die Jahreszahl und das Fecit des Meisters 
zu stehen pflegt, ziemlich wohl erhalten. 
„Das Bild ist doppelt älter, als die ältesten 
von uns!" sprach der Graf, der nicht ohne Kunst 
verständnis war. „Künstlerischen Wert besitzt es nicht 
lute alle diese wunderthätigen Schildereien, an denen 
Gott so recht eigentlich zeigen will, dass er das Geringe 
erwählt, um damit Großes zu wirken. Es ist jedoch 
lieblich anzusehen und das Vertrauen, womit zu ihm 
von Tausenden aufgeblickt worden sein mag, verleiht 
ihm auch tausendfachen Wert!" 
Die Freude des Grafen war groß und er nahm 
das Bild sofort an sich, um für einen würdigen Rahmen 
zu sorgen. Seinem raschen Temperamente entsprechend 
wartete er die Rückkunft seines Jägers, der wie ge 
wöhnlich auf die Pürsche gegangen war, nicht ab, 
sondern wählte einen anderen sicheren Boten, der sich 
augenblicklich auf den Weg machen musste, um in 
Passau die Neufassung des Bildes schon für die 
nächsten Tage zuwege zu bringen. 
Den: von seiner Excursion zurückkehrenden Veit, 
mit den: er überhaupt ganz ungezwungen und gütig 
zu verkehren pflegte, wenn er nicht gerade an Glieder 
schmerzen litt, rief er schon von weitem entgegen: 
„Ich habe einen Fund gemacht!" und führte ihn 
zu dem wiedergewonnenen Schatz. 
Veit, nicht minder gläubig wie sein Herr, legte 
eine aufrichtige Freude an den Tag und erwiderte: 
„Da muss ich freilich mit der Neuigkeit, die ich 
nachhause bringen wollte, hinter dem Berge halten! 
— Die Jagd liefert nur Geschenke für Küche, Haus 
und Kürschnerei, — Euer Gnaden aber hat eine Zier 
sür das Haus Gottes aufgebracht!" 
Sein Herr drang nicht weiter in ihn, vermuthete 
jedoch eine Ueberraschung auf dem Gebiete der Jägerei, 
was ihn gegenwärtig viel weniger als zu jeder anderen 
Zeit interessierte. 
Die Nachricht von der Auffindung des Gnaden 
bildes hatte sich indessen wie ein Lauffeuer verbreitet 
und alles war begierig, der Festlichkeit anzuwohnen, 
die der gräfliche Badegast damit vorhatte. 
Da begab sich etwas, was die Bevölkerung von 
neuem in Athem erhielt. 
Es war an einem Wochenmarkttage, wo im 
Markte Rohrbach, dem gewerblichen und landwirt 
schaftlichen Centrum des oberen Mühlkreises, gewöhnlich 
eine große Menge von Leinwandhändlern und Webern 
zusammenzuströmen pflegte, während die Bauernschaft 
sich auf dem reichlich beschickten Ochsenmarkte tummelte. 
Doch überwog in jener Zeit die Nachfrage nach fertigem 
„Tuch" weitaus den Umsatz an Schlacht- und Zug 
vieh, wie denn trotz der primitiven Verkehrsmittel, 
— es bestanden mit Ausnahme der Reichsstraße nur 
Reit- oder Saumwege —, der Leinwandhandel in 
diesem Landestheile schwunghaft betrieben wurde und 
einzelne „Leinwandherren" ihre Handelsverbindungen 
bis nach Nürnberg und Mailand auszudehnen ver 
standen. Putzleinsdorf bestand fast nur aus solchen 
bürgerlichen Behausungen, die sich mit diesem rein 
lichsten aller Geschäfte befassten und sind noch 
gegenwärtig die steinernen Zahltische vor einzelnen 
Häusern zu treffen, an welchen die Samstags mit 
der Ware fertig gewordenen Weber ausbezahlt wurden, 
weil ihnen der Einlass in das wohlgepflegte Haus 
innere von Seite der goldhaubentragenden Bürgers 
frauen. verwehrt war. Aber auch die Weber fühlten 
sich in jener Zeit und datiert von dorther das 
Sprichwort: Vier Weber brauchen (im Wirtshaus) 
einen Tisch! 
Gerade nach Ablauf des dreißigjährigen Krieges 
begann der Handel mit Linnenwaren sich im oberen 
Mühlviertel erst recht zu entfalten, so dass es trotz 
der bitteren Nachwehen der furchtbarsten Zeit, die 
Deutschland und Oesterreich erlebt, in Rohrbach leb 
haft genug hergieng. 
Ganz zufrieden mit ihrem geschäftlichen Erlös, 
wenn auch etwas später als andere Berufsgenossen, 
trabten zwei Leinwandherren aus Putzleinsdorf auf 
ihren wohlgenährten Rösslein von Rohrbach dem 
heimatlichen Märktlein zu. Ihr Leibgürtel war stattlich 
geschwollen vor barer Münze und wie sie sonst gut 
Freund waren, so hielten sie auf der Heimreise um 
somehr zusammen, als allerlei marodierendes Gesindel 
die Gegend durchstreifte und unsicher machte. 
Schon hatten sie die meisten Höhen und Thäler, 
die sich hierzulande verkehrsstörend, aber landschaftlich 
abwechselnd und reizvoll zwischen die einzelnen Flecken 
und Orte legen, hinter sich, namentlich war das berg 
reiche Sarleinsbach überwunden und waren sie schon 
an jene Strecke gelangt, wo des Schöpfers Hand 
die rauhen Höhen liebend zu sanften Hügeln geglättet 
zu haben scheint, um an die Gefilde des Hausruckes 
zu erinnern, als einem der Bürger einfiel, den kurzen 
Umweg über Bründl zu machen, um in dem Wallfahrts 
kirchlein für den glücklichen Ausgang der Geschäfte zu 
danken und gelegentlich beim Bader Martin sich über die 
Gäste und etwaige Neuigkeiten im Laufenden zu erhalten. 
Eben wollte der Eine auch ein Schöpplein Wein 
in Vorschlag bringen, als sich unmittelbar vor deni 
Bründelwalde ein paar geschwärzter Gesellen auf die 
gemüthlich Plaudernden stürzte. Die beiden Bürger 
hatten just noch Zeit, einen Nothschrei an die „Bründl- 
mutter" auszustoßen und begannen sich nach Kräften 
der Wegelagerer zu erwehren.
	        
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