Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1893 (1893)

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Bründelwalde und des heiteren Festes, das uns dort 
selbst die Herrschaft Altenhof bereitet?" 
„Herr! — das wollt ich wieder erleben!" 
„Und wieder frisch und frei durch Wald und 
Busch zu streifen, nicht wahr? Wie heißt doch 
das Sprichwort in Eurem hochedlen Oberösterreich, das 
jedem Viertel seine Bedeutung zuweist? Das Mühl 
viertel kommt zuletzt, aber für jeden Weidgesellen zuerst!" 
Veit besann sich nicht lang und recitierte: 
„Traunviertel — Fisch und Salz, 
„Hausruckkreis — Ei'r und Schmalz, 
„Jnnviertel — Vieh und Traid, 
„Mühlviertel — 's Gjaid!" 
Fast gelüstete es ihn, auch den obligaten Jauchzer 
anzuschließen; er besann sich aber noch zur rechten Zeit. 
„Bei Gott!" rief der Graf, sich selbst vergessend, 
„wer doch wieder dem fröhlichen Weidwerk obliegen 
könnte!" und stampfte fast leidenschaftlich auf den 
Boden. Schmerzlich aufstöhnend zog er den Fuß an 
sich, verbiss aber sofort den Schmerz und wandte sich 
entschiedenen Tones an seinen Diener: 
„Veit! — Du bereitest alles zur Reise! 
Wenn nicht zum edlen Gejaide, so doch zur Heilung 
leiblichen Gebrestes. Auf nach Oberösterreich!" 
Diesmal drehte sich Veit ohne Rücksichtnahme 
um sich selbst und wirbelte mit einem derben Juh- 
schrei zur Thüre hinaus. 
II. 
Wir wollen zum Empfange des Grafen und seines 
Trabanten nach Altenhof vorauseilen, jenem wunder 
herrlichen Punkte des oberen Mühlviertels, den die 
gewandte Feder Julius' von der Traun in seinen 
„Herbsttagen im oberen Mühlkreis" in der anziehendsten 
Weise geschildert hat. 
Was sollen wir auch Reisende damaliger Zeit 
auf ihrer beschwerlichen Fahrt begleiten, die auf der 
Römerstraße über Zeiselmauer auf nicht viel besseren 
Vehikeln als die berüchtigten Zeiselwägen zu sein 
pflegen erfolgte und Wochen erforderte, während heut 
zutage der schnelllebigen Menschheit schon die kaum 
sechsstündige Fahrzeit via Eisenbahn eine Ewigkeit 
dünkt! 
Der Graf benützte, in Linz angekommen, für sich 
und seinen Begleiter einen bereitstehenden Schiffzug, 
der Salz und Wein nach dem verkürzten Landestheil 
bringen sollte, den schon Kaiser Max I. mit einem 
zusammengerollten Reitermantel verglichen hat. 
In Rana, der gegenwärtigen Dampfschiffahrts 
Station, erwartete sie eine freundliche Ueberraschung. 
Graf Johann von Salburg, von der Ankunft 
seines Jugendfreundes unterrichtet, empfieng ihn mit 
allen zugebote stehenden Ehren. 
Die alten Rüstkammern Falkensteins und Altenhofs 
mussten sich zu diesen: Zwecke ihrer Vorräthe an 
mittelalterlichem Rüstzeug begeben und der willkommene 
Gast wurde wie in den besten Zeiten des Ritterthums 
von Geharnischten in Beschlag genommen, die ihn jubelnd 
umringten. Veit hatte sich gleichfalls ein Stahlwams 
zu verschaffen gewusst und ritt mit wehendem Sturmhut 
an der Spitze des reisigen Schwarms. 
So gieng es auf dem ungemein romantischen 
Saumwege, der noch heute den Namen „Weinweg" 
führt, bergan. Knapp bei Falkenstein, dem eigentlichen 
Herrschaftssitze, der damals noch nicht, wie jetzt, Ruine 
war, sondern trotzig und wehrhaft in die Weite blickte, 
stellte der Salbnrger dem Gefährten seiner Jugend 
sämmtliche Glieder seiner Familie vor, gleichfalls in 
die kleidsame Tracht vergangener Jahrhunderte gehüllt. 
Nach herzlichster Begrüßung brachte man den 
leidenden Gast wie im Triumphe nach dem nahen, 
zeitgemäßeren und wohnlicheren Altenhof, das die 
imposante Ranaschlucht überragt und an der anderen 
Seite, mit zierlichen Kunstgärten versehen, an wohl 
bebaute Fluren stößt. 
Das war dem Trautmannsdorfer ein gar wohl 
bekannter Weg! An mancher Stelle, die ihn an kurz 
weilige Episoden der einst genossenen Jagdfreude erinnerte, 
hielt er still und als die Fanfaren der reisigen Begleiter 
schaft brausend an den gebirgsaAigen Schründen sich 
brachen, überfielen ihn in seiner Sänfte Weh und 
Fröhlichkeit zugleich. 
Umsonst bot sein gräflicher Wirt alles auf, um 
ihm den Aufenthalt in Altenhof zu versüßen! Der 
Gedanke an sein Leibesgebreste ließ ihn nicht zur Ruhe 
kommen und der einsichtige Salbnrger begegnete fein 
fühlig seinem Wunsche, indem er ihn einlud, das zum 
Dominium gehörige Bründl schon vor der bestimmten 
Frist zu besuchen und dort seines Leibes zu pflegen. 
„Unser »Martin im Pad« sprach er, „hat eine 
geschickte Hand, die Bürgerschaft Putzleinsdorfs, unseres 
Marktes, ist benachrichtigt, — morgen, wenn es Dir 
gelegen ist, treten wir den Ausflug an!" 
Und so geschah es. 
In langsamen aber ansehnlichem Zuge bewegte 
sich die Gesellschaft auf die Höhen Pfarrkirchens, des 
weit in die Lande schauenden, uralten Pfarrortes. 
Die kurze Rast daselbst benützte der Trautmannsdorfer, 
um sich auf die sogenannte „Platte" tragen zu lassen, 
einem Aussichtspunkte, der mit der Rundschau des 
Schafberges wetteifert, wo er im Anblick der erhabenen 
Alpenkette und des tausendhügeligen Mühel- Landes 
schwelgte. 
Sein guter Humor kam wieder etwas znm 
Durchbruch. 
„Bei Gott!" rief er, „hier ist der Reitermantel 
aufgerollt! — Ein herrlicheres Bild gibt es kaum zu 
schauen! — Vor dreißig Jahren war mir derselbe 
Anblick und wie oft — gegönnt; doch musste ich ein 
Sechziger werden, um solchen Rundblick vollauf zu 
würdigen! Ich erinnere mich noch des Ein 
druckes der sogenannten „Brückennebel", die alles bis 
auf die höchsten Gipfel der Gebirge einhüllten und die 
ganze Landschaft in ein weites Meer verwandelten, 
aus welchem nur die Bergspitzen gleich zahllosen Inseln 
emporragten, während man von hier aus, wie ein sieg 
reicher Apoll über die Wolken hinwegblickt, das seltsam 
flutende Nebelmeer überschauen konnte! — Wir hatten 
dazumal des öfteren in Pfarrkirchen, mitten in rauher 
Jahreszeit, die Wämse ausgezogen, während in den 
Thälern kalter Frost wehte!" 
„Gewiss!" erwiderte sein Freund, „doch wäre 
dies gegenwärtig für Dich und wohl auch für mich 
ein gewagter Versuch!" 
Seufzend drückte sich der Trautmannsdorfer wieder 
an die Wände seiner Sänfte und der Abstieg begann.
	        
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