Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1892 (1892)

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man fast zwanzig Jahre alt ist, ist solch' eine Um 
bildung schwer, aber dieser da sei doch einmal gar 
nicht beizukommen". Und Magdalene machte aus ihren 
Gefühlen, ihrem Heimweh kein Hehl. Das gezierte 
Wesen in den Gesellschaften der Mutter widerte sie an, 
wie ihr auch das zweideutige Verhältnis derselben zu 
Herrn Wallner nicht lange zweifelhaft blieb und ihr 
oft die helle Schamröthe in die Wangen trieb. — 
Den rauhen Septembertagen folgte ein ungemein 
milder October, so dass beschlossen wurde, noch eine 
Reise nach Oberösterreich zu machen und sich in Linz 
aufzuhalten. Zum erstenmal seit sie von der Heimat 
geschieden, leuchteten Magdalenens Augen freudig auf, 
als dieser Ausflug besprocben wurde und während der 
Woche, die man in Linz verlebte, versäumte sie keinen 
Tag, die Muttergotteskapelle im neuen Dom zu be 
suchen. Seit des Buchenmüllers Lena zum erstenmale 
dies erstehende Gotteshaus gesehen, war der Bau stetig 
vorgeschritten. Der Hauptaltar mit der entsprechend 
vollendeten Umgebung hatte sich an die Kapelle ge 
reiht, deren Zugang nun ein anderer war. Run wurde 
fleißig der Aufbau des Thurmes gefördert, und immer 
deutlicher stellte sich dem Besucher die hehre Pracht 
dieses, zukünftigen Geschlechtern gehörenden Domes dar. 
Es war Nachmittag und das freundliche Sonnen 
licht im Vereine mit den herrlichen Glasmalereien an 
den Fensterscheiben tauchten die inneren Räume des 
Domes in zaubervolle Beleuchtung. Leise schritt die 
schlanke, doch kräftig gebaute Mädchengestalt den Seiten 
gang entlang zur Kapelle hin, und die Bewegungen, 
das verweinte Antlitz verriethen nur zu deutlich die 
kummervolle, gedrückte Gemüthsstimmung. Sie machte 
ja heute diesen Gang zum letztenmal, denn morgen 
früh sollte die Rückreise nach Wien stattfinden. Magda- 
lenen war so bange und schwer zu Muthe, als solle 
sie aufs neue von Heimat, von Mutter und Bruder 
Abschied nehmen. 
Das Gotteshaus war völlig menschenleer; nur 
zu Füßen der Marienstatue kniete eine Frau in bäuer 
licher Kleidung. Ein paar Schritte hinter ihr stand 
ein junger, hochgewachsener Mann, ebenfalls in bäuer 
licher Tracht. — Wohl Mutter und Sohn. Magdalene 
trat näher, und — großer Gott, war es keine Täuschung? 
— O, mein Mutterl, mein Friede!? — — 
In diesem schluchzenden Aufschrei lag alles was 
das junge Mädchen in den vergangenen Monaten ge 
litten. Ihre Sehnsucht, ihr Heimweh und ihr Herzeleid. 
— O Mutter, o Friedet! Gott sei gepriesen, dass ich 
Euch wieder habe und nun soll mich nichts mehr auf 
der Welt je wieder von Euch trennen. — — 
Als Lenerl geschieden war gieng wohl alles 
seinen alten Gang im Buchenhofe fort. Die Bäuerin 
verrichtete ihre Arbeit im Hause, während Friede! das 
Gesinde regierte und die Arbeiten am Felde leitete. 
Es geschah in regelrechter Weise, aber auf Mutter 
und Sohn lag ein schweres Bangen; war doch der 
Sonnenschein ihrem Hause entwichen. Besonders war 
Friede! wie ausgetäuscht. Tiefe Schwermuth lag auf 
seinen Zügen und befehligte sein ganzes Thun und 
Lassen. Kaum dass er das Nothwendigste redete, oder 
dass, wie sonst, Lieder und frohe Scherzworte ihm 
die Arbeit würzten. Wenn die Bäuerin ihn so be 
obachtete blutete ihr das Herz. Sie wusste sich gar 
wohl die Veränderung des Sohnes zu deuten, denn 
die keimende Herzensneigung zwischen ihren beiden 
Kindern war ihr nicht entgangen und hatte sie mit 
Freude erfüllt. Stand doch einer Vereinigung nichts 
im Wege und sie konnten dann alle im Hofe bei 
sammenbleiben. Und nun war es so gekommen und 
auch ihrem Friede! war nicht zum Heile die Liebe in 
das Herz gekommen. „Ja, er wird nicht sterben daran", 
dachte die Mutter, „er wird es verwinden, doch seine 
Natur ist der meinigen gleich, so dass ihm solche Er 
fahrung das ganze Leben lang anliegt". Und noch 
öfters als sonst stand die bedrängte Mutter vor dem 
Bilde der lieben Frau, innig flehend, dass doch alles 
sich wieder zum Guten wenden möge. 
Und eines Tages nun, als schier die letzte Feld 
arbeit gethan, meinte die Mütter zu ihrem Sohne, 
ob er denn nicht mit einer kleinen Reise nach Linz 
einverstanden sei. Friede! willigte ein, denn er er 
kannte die gute Absicht der Mutter, ihn ein wenig zu 
zerstreuen. 
Lena führte den Sohn nun auch mit sich nach 
der Muttergotteskapelle, und empfahl ihn da so recht 
innig dem Schutze der Königin aller Gnaden, als sie 
mit einemmale sich stürmisch von den weichen Armen 
ihres lieben Lenerl umschlungen fühlte. Noch ein 
inniger Aufblick zu Maria und alle drei verließen 
das Gotteshaus. „O, nehmt mich mit, ich kann nicht 
mehr zurück. Gott verzeihe mir, dass ich so von der 
eigenen Mutter scheide, doch hat sie mich einst ver 
lassen, so kann ich ihr dafür nun keinen anderen Lohn 
geben, als dass auch ich von ihr gehe." 
Im Gasthofe schrieb Lenerl einen Brief an Frau 
Justine, worin sie bekundete, dass sie ihre Pflegemutter 
gefunden, wieder mit ihr gehe, und man sie ja nicht 
bestimmen wolle, den Buchenhof noch einmal zu ver 
lassen. Sie danke für den guten Willen, aus ihr ein 
Stadtfräulein zu machen, sie tauge nun einmal nicht 
dazu, und fühle sich in ihrem Stande vollkommen 
glücklich. — 
Herr Wallner erschien wohl noch einigemale im 
Buchenhofe, faselte von allerlei Rechtsansprüchen, von 
der Minderjährigkeit des Mädchens, aber er stieß bei 
Lenerl auf so energischen Widerstand, dass er endlich 
achselzuckend jeden weiteren Versuch aufgab. — 
Und als sich wieder der Zauber des Frühlings 
über die Lande breitete, da zog eines Tages eine kleine, 
hochzeitlich geputzte Schar in bäuerlichen Gewändern 
in den neuen Dom der schönen Donaustadt, hin zur 
.Muttergotteskapelle. 
Und ein Fridolin und eine Magdalena tauschten 
hier seligen Herzens das Gelöbnis ewiger Treue aus. 
Diejenige Magdalena aber, der es nicht beschieden 
gewesen, mit ihrem Fridolin des Lebens Wege zu 
wandern, hatte bestimmt, dass die Trauung ihrer Kinder 
in dieser Kapelle stattfinden sollte. „Hier hat Euch 
Maria zusammengeführt, ihrem Schutze, ihrer Für 
sprache verdankt Ihr Euer Glück, so soll auch diese 
Stätte Zeuge Eurer Vereinigung durch Priesterhand 
sein". — 
Mit welch' innigem Gefühle sprach heute die 
fromme Mutter die Worte des Memorare. Galt es ja 
doch den Segen Mariens auf das Eheleben der theuersten 
Wesen, die sie auf Erden besaß, herabzuflehen.
	        
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