Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1892 (1892)

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sein lassen. Aber Anton war eben nach vollendeter 
Militärzeit nicht sogleich nach der Heimat zurückgekehrt, 
sondern hatte sich auf verschiedene Weise in der Welt 
herumgetrieben, bis er plötzlich die Aufforderung erhielt, 
sich unverzüglich nachhause zu begeben. Sein einziger 
Bruder, welcher das Elternhaus innehatte, war eines 
jähen Todes gestorben, und da er weder Weib noch 
- Kind besessen, musste Anton den Hof übernehmen. 
Nun aber war dem Burschen bei seiner lockeren Lebens 
weise in der Fremde die Lust zum Bauernthum, die 
gewisse Freude an festem Besitze von Haus und Grund 
stücken völlig vergangen. Er hatte die Arbeit verlernt, 
verstand es nicht einmal dabei, das Gesinde in richtiger 
Weise zu beaufsichtigen, geschweige, dass er selbst frisch 
weg Hand angelegt hätte. Ebenso gieng es in der 
Mühle, wo er alles ohne fördernde Umsicht fremden 
Kräften überließ, so dass sich schnell eine Kundschaft 
nach der anderen verlor und der Sägebursche bald 
mehr Feier- als Werktage hatte. Den Bauern kümmerte 
das wenig, er machte sich selbst einen Feiertag um 
den andern, saß im naheliegenden Marktflecken auf 
irgend einer Wirtshausbank, fortgesetzt den Inhalt 
des Kellers prüfend. Öder er wagte wohl auch mit 
gleichgesinnten Gesellen ein Kartenspiel um das andere, 
wobei es oft hoch hergieng und es nicht selten Mitter 
nacht wurde. Dazu kam noch, dass ein angeblich guter 
Freund den Bauern zu allerhand Spekulationen ver 
leitete, die schnell und mühelos zu großen Reichthümern 
verhelfen sollten. Und diese Berechnungen förderten 
auch ganz erklecklichen Gewinn zutage, aber leider füllte 
er nicht die Tasche des Bauern, sondern den Säckel 
des sogenannten guten Freundes, der sich dann ganz 
unverfroren aus dem Staube machte. Kein Wunder, 
dass es dabei immer mehr bergab gieng, es bald an 
nöthigem Bargeld fehlte, um die laufenden Auslagen 
zu decken, und Anton gezwungen war, auf sein 
Besitzthum eine Summe nach der anderen aufzu 
nehmen. 
Bis jetzt hatte die Bäuerin noch keine Ahnung 
von dem schlechten Stande der Dinge. Der Mann 
unterließ es grundsätzlich, ihr einen Einblick in seine 
Geschäfte, in sein ganzes Gebaren zu gewähren, und 
sie war eine viel zu gutherzige, schwache und leicht 
lebige Natur, um sich aus eigenem Antriebe ernstlich 
über den Gang der Wirtschaft zu unterrichten. Ihre 
Arbeit in Haus, Stall und Küche besorgte sie gewissen 
haft und im übrigen hatte sie ihre Freude an schönen 
Kleidern und leckeren Bissen. Dem Manne verwehrte 
sie es durchaus nicht, wenn er sich auf seine Weise 
unterhielt, und sie fand auch kein Arg an seinen 
häufigen Fahrten nach der Stadt. Und doch führten 
diese unaufhaltsam den Ruin des Hauses herbei, denn 
er war dort, durch die Geheimnisthuerei betreffs seiner 
Geldanleihen schlecht berathen, einem gewissenlosen 
Wucherer in die Hände gefallen. Auch heute war er 
wieder gezwungen gewesen, ihn aufzusuchen, und so 
verdüstert die Miene des Bauern nach diesem Gange 
war, um so vergnügter lachte sich drinnen zwischen 
seinen Geldsäcken der alte Geldverleiher in's Fäustchen. 
Das Geschäft gieng ja prächtig; schon gehörte mehr 
als der halbe Bauernhof ihm, und nur so mit ge 
höriger Vorsicht weiter manipuliert, so war in ein 
paar Jährlein das ganze Besitzthum sein. 
Der Bauer wusste gar wohl Mittel und Wege, 
seiner finsteren Gedanken und peinigenden Vorstellungen 
Herr zu werden; winkte ihm doch dort der wohl 
bekannte Schild jener Weinstube entgegen, wo er stets 
mundgerechtes Getränke und heit're Gesellen fand, in 
deren Gesellschaft jeglicher Trübsinn wich. Schnell 
vergieng hier dem Bauern der Rest des Tages, und 
in ziemlich angeheitertem Zustande suchte er endlich 
seine Tochter auf, welche in der Küche des Gasthofes, 
in dem er sie zurückgelassen, schon sehnlichst seiner 
harrte. 
Es war gerade noch Zeit, den letzten Abendzug 
zu erreichen und in später Nacht, bei Hellem Sternen- 
schein, erreichten Beide den heimatlichen Hof. 
Wüsten Hauptes sank der Bauer in seine Kissen 
und der ihn endlich überkommende Schlaf glich mehr 
einer dumpfen Betäubung, wobei schwere, beängstigende 
Traumgebilde das Lager umgauckelten. 
Lenerl hingegen, beglückt durch die Erinnerung 
an die Herrlichkeiten der Stadt und an jene un 
vergessliche Stunde in der Muttergotteskapelle, erfreute 
sich eines ruhigen, traumlosen Schlafes, um am 
Morgen neugestärkt zu erwachen und geschäftig der 
Mutter alle Erlebnisse zu erzählen. 
II. 
Schwere Munden. 
Des Buchenmüllers Lenerl hatte bei ihrer ersten 
Linzerreise in der Marienkapelle des neuen Domes 
einen forschenden Blick auf das Dunkel der fernen 
Zukunft gerichtet. Ahnungsvoll hatte sie gefragt, was 
ihr wohl das Leben, das noch so lang, so ungewiss 
vor ihr lag, bringen würde. 
Seitdem hatte sich dreimal das wonnevolle Schau 
spiel des erwachenden Frühlings erneut. Und diese 
verhältnismäßig kurze Zeit war lange genug gewesen, 
um einen gewaltigen Umschwung in Lenerls sorglosem 
Kinderdasein hervorzurufen. Die schwere Bürde der 
selbständigen Führung des Haushaltes ruhte nun auf 
den jungen Schultern, da seit mehr als Jahresfrist 
die Mutter nach kurzer Krankheit in die Ewigkeit 
hinübergegangen war. Die Verstorbene hatte es aus 
übertriebener Zärtlichkeit versäumt, das junge Mädchen 
in rechter Weise zur Arbeit anzuhalten, und so hatte 
Lenchen eigentlich immer nur das gethan, wozu sie 
eben Lust hatte, und sich nie ernstlich um den Haus 
halt bekümmert. Natürlich stand die Verwaiste dann 
um so hilfloser da, als sie nun plötzlich ohne jegliche 
Führung und Anleitung die Stelle der Bäuerin ein 
nehmen sollte. 
Anfangs glaubte sie wohl öfters vor Muthlosigkeit 
und Verzagtheit den Erdhügel der verblichenen Mutter 
aufwühlen zu müssen, um hier sicher vor aller Sorge 
zu ruhen. Aber die schweren Erstlingstage vergiengen 
und die eiserne Nothwendigkeit nahm als strenger 
Meister die Unerfahrene hart in die Lehre, so dass 
sie nach Jahr und Tag vollkommen den an sie ge 
stellten Anforderungen gerecht zu werden vermochte. 
Dabei entwickelte sich die zarte Gestalt zusehends 
zu kräftigerem Wachsthum, die durchsichtige Blässe der 
Wangen verwandelte sich in ein gesundes Roth und diese 
nahmen dabei an Fülle zu. Auch hatte jetzt niemand
	        
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