Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1891 (1891)

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selten in der Oeffentlichkeit gesehen wurde. Mit dem 
vollendeten dreizehnten Lebensjahre erhielt die Erzherzogin 
ihre eigene Kammer mit Excellenz Gräfin Kornis 
an der Spitze. Ihre Erzieherin, die ihrer Aufgabe zur 
vollen Zufriedenheit der kaiserlichen Eltern gerecht 
wurde, lobt die strenge Wahrheitsliebe, die große 
Gewissenhaftigkeit, den frommen Sinn des kaiserlichen 
Kindes, das schon im zarten Alter durcki seinen ent 
wickelten Verstand und sein gesundes Urtheil alle Lehrer 
überraschte. Das leicht lenkbare Gemüth der Prinzessin 
wurde nur durch Güte und Liebe geleitet, nie bedurfte 
es der Strenge, ein Wort der kaiserlichen Eltern, an 
denen sie mit überaus zärtlicher Liebe hieng, genügte, 
um sie zu ihrer Pflicht zu rufen. Ein besonders schöner 
Zug ihres Charakters war stets die Einfachheit und 
Offenheit desselben, mit dem sie in unbewusstem 
Zauber sich alle Herzen gewann. Nie wollte sie jemandem 
wehe thun und wenn sie andere beglücken konnte, dann 
fühlte sie sich selbst am glücklichsten. 
Eine Eigenschaft, 
welche die Prin 
zessin in hohem 
Grade besitzt,ist ihr 
unumwundener 
Abscheu vor jeder 
Schmeichelei. So 
wuchs die junge 
Fürstin einfach und 
natürlich heran, 
ohne dass jemals 
unzeitige, ihrer 
hohen Geburt dar 
gebrachte Huldi 
gungen ihr einen 
zu hohen Begriff 
von dem hohen 
Werte ihrer glück 
lichen Lebens 
stellungbeigebracht 
hätten. 
Wie schon er 
wähnt, hat die Frau Erzherzogin eine überaus große An 
hänglichkeit und Liebe ihren kaiserlichen Eltern schon von 
ihrer ersten Jugend an bewahrt und nichts konnte sie 
mehr beglücken, als Höchstdieselben zu gelegenen Festen, 
zu Namenstagen, zu Weihnachten durch eigene Arbeiten 
zu überraschen. Da ließ sie aber niemanden daran mit 
arbeiten, keiner durfte ihr helfen, denn sie war zu 
gewissenhaft, um sich mit fremden Federn zu schmücken. 
Für Arme hatte sie stets ein liebreiches, mitleidsvolles 
Herz. Namentlich armen Kindern gegenüber bewährte sie 
ihre Güte, und wenn ihr selbst Glück und Freude zutheil 
wurde, so suchte sie auch anderen Freude zu verschaffen. 
Alljährlich wurde eine Anzahl armer Kinder in 
Ischl und Gödöllö reichlich von der Erzherzogin be 
schenkt und jedesmal waren unter den Geschenken selbst 
verfertigte Arbeiten der Prinzessin. Ihr ganzes Taschen 
geld gab sie bei Ausfahrten und Ausflügen den hilfs 
bedürftigen Kindern und häufig kam es vor, dass sie 
auch noch von ihrer Begleitung Geld verlangte, um 
es zu vertheilen. 
Allein nicht minder günstig entfaltete sich ihr 
reger Geist und mit Liebe unterwarf sie sich der 
strengen Disciplin des eingehenden Unterrichtes. Für 
Sprachen hatte sie das bekannte Talent ihrer Familie 
und ganz besonders empfänglich zeigte sie sich für 
Naturschönheiten. Daher war auch das Salzkammergut 
ihr Lieblingsaufenthalt. Die prächtigen Landschaften 
des Salzkammergutes regten die Phantasie der Frau 
Erzherzogin mächtig an. Gerne bestieg sie seine lieb 
lichen Berge und erfreute sich an dem Anblick der 
herrlichen Seen. Die kaiserliche Villa in Ischl war 
oft während eines großen Theiles des Jahres, selbst 
bis in den Winter hinein, die Residenz der Frau Erz 
herzogin Marie Valerie. Hier fühlte sie sich wohl und 
glücklich, hier entspann sich auch das traute Ver 
hältnis zu Erzherzog Franz Salvator, dem sie nun 
mehr als Gemahlin angehört. 
Die Festwoche. 
Mit großer Sehnsucht sahen die Bewohner von 
Ischl der Festwoche entgegen, in der es ihnen ermöglicht 
war, in ganz vor 
züglicher Weise zur 
Verherrlichung des 
Hochzeitstages 
Ihrer k. und k. 
Hoheiten beizu 
tragen. Und je 
näher dieFestwoche 
heranrückte, umso 
größer wurde die 
Freude und umso 
mehr fleißige 
Hände beschäf 
tigten sich mit den 
Vorarbeiten zur 
Ausschmückung des 
lieblichen Marktes. 
Ein Separat- 
Train, bestehend 
aus 22 Waggons, 
brachteDecorations- 
Pflanzen aus 
Schönbrunn, Laxenburg und Lainz. Dieselben sollten vor 
züglich zur Ausschmückung der Kirche und des Cu r- 
salons verwendet werden. Vor der Kirche waren ver 
schiedene Herstellungen nothwendig. So wurde schon 
mehrere Wochen vor dem 31. Juli vor dem Hauptportale 
ein zeltartiger Bau aus Holz aufgeführt, welcher in den 
letzten Tagen auf allen Seiten mit einem grauen, segel 
tuchartigen, durch rothe Bordüren in Felder getheilten 
Stoff überspannt wurde. Dadurch hätte die Auffahrt ohne 
Hindernis auch bei der ungünstigsten Witterung statt 
finden können. Die mit herrlichen Fresken, das Leben 
des hl. Nikolaus darstellend, geschmückte Kirche erforderte 
und litt verhältnismäßig nur eine geringe.Dekoration. 
Der Altar sammt Stufen und Tabernakel, über dem sich 
ein großer Baldachin aus Sandstein mit Einlagen ägyp 
tischen, gelben Marmors wölbt und der mit Aus 
nahme einer kleinen, durchbrochenen vergoldeten Holz- 
■ kuppel, welche den Baldachin abschließt, ganz aus ein 
heimischem Marmor gebaut ist, war im Halbbogen mit 
Orangenbäumen, Palmen, tropischen Gewächsen seltenster 
Art, prachtvollen Blattpflanzen, welche in der Mitte 
des Altars über den Baldachin hinausragten, in kunst-
	        
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