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Wie es jetzt gewisse Abgrenzungen der Gegenden
gibt, deren jede man dann mit einem eigenen Namen
belegt, wodurch die Länder oder Provinzen entstehen
z. B. Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Böhmen
u. dgl. so teilten sich die Kelten cnlturell logischer der
Bevölkerung nach in gewisse Partien ein; massgebend
war der Stammvater oder Anführer, daher Stämme
genannt. So bewohnte der Stamm der Halaunen')
ungefähr die Gegenden des jetzigen Salzkammergutes;
mehr in die steirischen und salzburgischen Gebirge hin
ein wohnte der Stamm der Taurisker (Tauern)
und endlich mehr der Donau zu und jenseits derselben
besonders auch in: heutigen Böhmen der Stamm der
Bojer.
Jeder Stamm teilte sich in 3 Klassen der Be
völkerung: Adel, Druiden und Volk. Die Druiden
machten den Priesterstand aus. Sie besorgten den
Götzendienst, welcher voller Geheimnisse und Heimlich
keiten war. Es gab aber für denselben keine Tempel,
sondern die Opfer — sogar Menschenopfer waren
nichts seltenes — wurden in dunklen Wäldern oder
auf Spitzen der Berge, auf Felsenaltären, dargebracht.
Am Sauwalde, in der Gegend von St. Aegidi, wähnt
man jetzt noch solche Druidenaltäre zu sehen. Höchst
interessant und für uns merkwürdig ist die Geheim
lehre im druidischen Heidentume: Einst werde eine
Jungfrau einen Gott gebären.
Zweit es Kapitel.
Pie Wömer in Höerösterreich.
Im Jahre 15 vor Christi Geburt sandte der
römische Kaiser Augustus Kriegsvölker aus, um
Norikum, — so nannten nemlich die Römer das
Land von der Donau und dem In bis in's Pusterthal
hinein — seinem Reiche einzuverleiben. In einem ein
zigen Feldzuge war dies geschehen. Die Besiegten
durften auf dem Grund und Boden ihrer Ahnen blei
ben und ihre Religion, ihre Volkseinteilnng in Stämme
und neue Landeseinteilung in Gaue beibehalten. Viele
römische Familien verließen nun Italien und wurden
in den herrlichen Gefilden Oberösterreichs unter dem
Schutze des in zahlreichen Kastellen und befestigten
Standquartieren garnisonierenden römischen Militärs
sesshaft. Sie bildeten die herrschende Kaste im Lande,
verschmähten es aber nicht, sich mit dem schönen Menschen
schlag der Kelten durch wechselseitige Heirat zu ver
mischen. Ueberdies wussten sie ihre Religion, ihre ver
feinerten Sitten und Gebräuche den Kelten angenehm
zu machen und bewirkten so, dass nach und nach das
Keltentum im Lande verschwand. Auch von der Sprache
der Kelten blieb fast nichts erhalten, in ganz Ober
österreich wurde nun ein paar Jahrhunderte hindurch
lateinisch gesprochen.
Damals gab es aber auch schon bedeutende Städte
in unseren best cultivirten Landen. Mehrere derselben
hatten je eine römische Militürcolonie inne, welche aus
6000 Mann Veteranen, Weiber, Kinder und Sklaven
garnicht gerechnet, bestand. Wir wissen unter andern von :
0 "«X, das Salz, deutet auf Stammvcrwandtheit der Kelten
mit den alten Griechen hin.
13ojodurum, die jetzige Jnstadt in Passau,
welche weitaus größer war als sie jetzt ist.
Laureaeum, das heutige Ens, an welches
„Lorch" noch erinnert: Hier lag viel Militär, saßen hohe
römische Behörden, blühten Handel und Gewerbe. In
der Nähe von Ens ist das Dorf Enghagen; dort
bildete die damals viel wasserreichere Donau eine große
Bucht, welche den römischen Kriegs- und Handels-
schifien auf der Donau als Stationsplatz diente.
Stanacum, ein befestigtes römisches Lager in
der Nähe von Engelhartszell.
doviacum, ein bedeutenderer Ort an der
Donau, dort wo heute das Dorf Schlögen steht.
Marinianum, etwa bei Eferding.
Lentia, das heutige Linz, war ein befestigtes
Standquartier für römisches Militär, und lag auf
dem Hügel über der Donau, wo jetzt das Schloß,
die St. Martinskirche und die Gebäude der Römer
straße stehen. Ueber die Zeit wann Lentia erbaut
wurde, lässt sich keine b e st i m m t e Aussage machen;
jedenfalls muß sie aber anno 164 n. Ch. schon be
standen haben, weil sich in diesem Jahre der römische
Kaiser Markus Aurelius, der dann 180 zu Wien
(Vindobona) starb, daselbst längere Zeit aufgehalten hat.
Er liess Lentia auch verschönern und vergrößern, so dass
man sie ihm zu Ehren lange Zeit sogar „Aurelstadt"
(Oppidum Aureliaaum) nannte. Ausgrabungen haben
seither ergeben, dass die heutigen: Altstadt, Theater
gasse, Lessinggasse, Klamstraße, Spitelwiese, (Spital
wiese) und Steingasse Gebäude der römischen Lentia
bedeckten. Auch bei einem Umbau am Florianerhause
vor einigen Jahren und bei Erdaushebungen am
Schläglerhause an der Landstraße am 19. Oktober
1885 wurden römische Münzen gefunden.
Ovilatus, nach dem Namen zu schließen größere
Oekonomiegehöfte, richtiger aber ein römischer Jndu-
strialort (wahrscheinlich besonders Waffenfabrik) in der
Gegend von Kleinmünchen — Ebelsberg, als Vorort
von Laureaeum.
All diese jetzt genannten Orte waren durch eine
gute Heerstraße im allgemeinen der Donau entlang
und vielfach auch durch den Verkehr auf der Donau
selbst miteinander verbunden. Sie waren zugleich
Grenzfestnngen des römischen Reiches, denn jenseits
der Donau, im heutigen Mühlviertel,_ hatten die
Markomanerti) die dort sesshaften Bojer (Kelten)
besiegt und teilweise vernichtet.
Mehr von der Donau landeinwärts d. h.
den Gebirgen zu lagen:
Ovilabis, das heutige Wels; Vetimiana, ein
größerer Ort zwischen Peteirbach und Voitsdorf. Tutatio,
jetzt Klaus an der Steyr; Ernolatia, zwischen Win-
dischgarsten und Spital am Pyrn — welche alle
ebenfalls eine gute Straße verband, die dann über
*) Die Markomanen waren ein Teil der Germanen also ein
deutscher Volksstamm. Sie waren sehr kriegerisch, lebten
noch unter ihrem Fürsten Marbod mehr von Jagd und Kriegs
beute als von Ackerbau und Viehzucht, und deshalb mussten
zunächst die Bewohner des Ufer-Norikum (der Teil Ober-
österreichs zwischen Donau and Traun) stets auf ihrer Hut sein.
Ihr Reich dehme sich damals weit über die Süd- und Ost-
grenzen des jetzigen Böhmen aus.