Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1886 (1886)

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besser handeln können, als es ein Bischof thut? Gebt 
ein gutes Beispiel des Gehorsams gegen die Obrigkeit 
und überliefert mir die Schlüssel!" 
„Nie werdet Ihr diese aus meiner Hand mit 
meinem Willen erhalten. Ueber den Bischof, der seine 
Pflicht nicht thut, wollen wir schweigen. Ich will 
trotzdem die meine thun. Ihr wisset wohl, dass man 
der weltlichen wie auch der geistlichen Obrigkeit nur 
in erlaubten Dingen gehorchen darf. Nie werde ich es 
unterlassen, mich nach diesem Grundsätze gewissenhaft 
zu richten. Hat denn die National-Versammlung wirk 
lich das Recht, der Kirche ihr Eigenthum ohne weiters 
wegzunehmen?" 
„Es gibt nur National-Eigenthum, und darüber 
kann die National-Versammlung verfügen, wie sie will, 
und das hat sie gethan. Also gebt mir die Schlüssel, 
sonst brauche ich Gewalt!" 
„Thut das nicht, ich rathe es Euch nicht! Von 
mir bekommt Ihr die Schlüssel nicht, und wenn Ihr 
die Kirche mit Gewalt aufsprengen wolltet, so wisst 
Ihr, dass die Mehrheit der Gemeinde das nicht gleich- 
giltig ansehen, sondern verhindern wird; denn — 
Gott sei Dank — will doch die Mehrzahl eher auf 
den Besitz eines Körnerhauses verzichten, ehe sie die 
Kirche dazu macht." 
„Da Ihr die Schlüssel nicht freiwillig hergebet, 
so niüsst Ihr Euch selbst die Schuld an dem zu 
schreiben, was daraus entstehen mag. Bürger LÄgneau, 
noch etwas will ich Euch sagen. Ihr habt Euch ein 
mal herausgenommen, Euch in meine Privatangelegen 
heiten zu mengen und mir Vorwürfe zu machen über 
eine Sache, die Euch nicht kümmert; nun diese ist 
nun auch geordnet. Ihr wisst, dass ich von meinem 
ersten Weibe mich getrennt habe und eine zweite Ehe 
eingegangen bin, was zu tadeln Ihr Euch erlaubtet. 
Nun hat der Staat nach einem seiner neuen Gesetze 
geschieden, was zu scheiden Ihr Euch geweigert habt, 
und er hat verbunden, was verbinden zu können Ihr 
nicht in Eurer Gewalt glaubtet. Ich bin von meinem 
ersten Weibe gesetzlich geschieden, das zweite aber ist 
mir durch die Civilehe rechtmäßig angetraut. Ver 
stummet also mit Euren Vorwürfen!" 
„Rechtmäßig sagt Ihr?" fragte wehmüthig der 
Pfarrer. „Was meinet Ihr wohl, wonach hat sich ein 
Christ zu richten, nach den gottlosen Gesetzen dieser 
revolutionären Versammlung oder nach den Worten 
unsers Erlösers: „Was Gott verbunden, kann der 
Mensch nicht trennen? Täuschet Euch doch nicht im 
Ernste, dass Ihr Euch überredet, als ob Ihr recht 
gehandelt hättet." 
„Ja ich habe recht gehandelt, denn ich bin kein 
Christ und brauche keiner zu sein, sondern ich bin ein 
Weltbürger und also verpflichtet, die Gesetze, die mir 
die Welt vorschreibt, zu beobachten." 
„Also meint Ihr, die Welt habe keinen Herrn,' 
der sie geschaffen, der sie regiert, der ihr Gesetze vor 
geschrieben, dem Ihr dereinstens nach dem Tode 
werdet Rechenschaft über Euer Thun und Lassen geben 
müssen? 
„Nein, Bürger L'Agneau, das glaube ich nicht, 
die Philosophen haben uns eines Besseren belehrt." 
„Die Philosophen? Denen glaubt Ihr eher, als 
den Aposteln des Herrn, die durch Wunder, ja durch 
ihren Tod, ihre Predigt bekräftigt haben, während 
die Philosophen bald um Geld, bald aus Furcht ihre 
Meinung geändert haben." 
„Ich will nicht weiter mit Euch darüber streiten, 
Bürger L'Agneau, nur so viel sage ich, dass mir die 
Lehre der Philosophen ungemein zusagt. Und nun ver 
lange ich zum letztenmal die Schlüssel, widrigenfalls 
wird der Staat noch Macht genug haben, sie Euch 
zu entwinden." 
„Ihr wisst meine Meinung darüber und ..." 
Da der Maire wieder eine Mahnung an sein 
Gewissen zu vernehmen fürchtete, so fiel er dem Pfarrer 
schnell in die Rede: „So ladet Ihr dieses Vergehen 
auch noch auf Eure Schultern zu dem andern, das 
mir auch wohl bekannt ist: Ihr habt noch nicht den 
Eid auf die Verfassung geleistet, trotzdem der National- 
Convent schon am 29. November 1791 diesen Eid für 
alle Geistlichen vorgeschrieben hat. Bürger L'Agneau, 
gebt acht, dass Euch dieser fortgesetzte Ungehorsam 
nicht noch den Kopf kostet!" Mit dieser rasch heraus- 
gestossenen Drohung eilte der Maire mit zorngeröthetem 
Angesicht aus dem Zimmer, dessen Thür er heftig 
hinter sich zuschlug, was vielleicht den unterlassenen 
Abschiedsgruss vorstellen sollte. Sein Antlitz verzog 
sich fratzenhaft, man sah, er brütete über etwas nach, 
was aber nach dem Gesichtsausdrucke nichts Gutes 
sein konnte. 
Der Pfarrer hatte auf den Vorwurf wegen des 
verweigerten Eides auf die Constitution, den natürlich 
die meisten Geistlichen nicht leisteten, weil das gegen 
ihr Gewissen gewesen wäre, sich gar nicht rechtfertigen 
können, sondern blickte nur traurig seinem verblendeten 
Feinde nach. Dessen Rachsucht fürchtete er nicht so 
sehr für sich als für das Haus Gottes, nach dessen 
Wegnahme die Gemeinde vielleicht des Gottesdienstes 
entbehren musste und desto eher für die Umsturzideen 
gewonnen werden konnte. Er trug daher seinem alten 
erprobten Messner auf, acht zu geben, dass gegen die 
Kirche nichts unternommen werde, und ihm das min 
deste Verdächtige zu melden, damit er eine Entheili 
gung des Heiligthums des Herrn nach Kräften ver 
hindern könne. Der Messner Soulier versprach seine 
Aufmerksamkeit zu verdoppeln. 
2. 
Der Winter von 1792 auf 1793 war auf dem 
Lande in Frankreich zumeist doch ziemlich ruhig ver 
laufen, nur dann und wann waren aus den Städten 
besonders aus Paris recht beunruhigende Nachrichten 
gekommen, wie z. B. dass in der Hauptstadt 49000 
Menschen in den Kerkern schmachteten, deren einziges 
und grösstes Verbrechen es war, einen adeligen Namen 
oder ein geistliches Kleid zu tragen oder seine Unzu 
friedenheit mit der herrschenden Misswirtschaft geäußert 
zu haben; welche Verbrechen täglich vierzig dieser Be 
dauernswerten mit ihrem Kopfe büssen mussten. In 
kleineren Städten fiel die entsprechend geringere Anzahl 
von Köpfen. Aber, hieß es, das sei so nothwendig, 
denn diese Menschen seien das einzige Hindernis mehr,
	        
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