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Als er den englichen Gruss nicht mehr laut beten konnte, musste es der Diener thun.
dem er sogar, um sa keinen Schatten von Aergernis zu geben, die erhaltene Dispens vom Brevier
gebete mittheilte. Trotz der ungeheuren Schmerzen, die seine Krankheit verursachen musste, kam
doch kein Laut der Klage über seine Lippen, keine Ungeduld wurde bemerkt: mehr als um sich
war er um seine Dienerschaft besorgt, dass ihr Dienst nicht zu stark werde, oder ihre Gesundheit
Schaden leide. Es kann überhaupt keinen milderen und gütigeren Herrn gegen die Dienerschaft
geben, als Franz Joseph war.
Am 24. November diktirte er sein Testament. In diesem macht er den Dombau und
das Knabenseminar zu Universalerben seines geringen Vermögens. Außer ganz kleinen Legaten
und dem Fundus instructus für die Nachfolger erhielt die Dienerschaft Vitalizien. Niemand
wundert sich darüber. Für sich selber hatte er keine Bedürfnisse. Abends aß er jahraus jahrein
nichts als Suppe, ohne etwas zu trinken. Außer dem Frühstück und Mittagsmahl genoß er in
der Zwischenzeit weder Speise noch Trank. Was er von seiner Dotation erübrigte, floss daher alles
wohlthätigen Zwecken zu.
Nachdem er so seine zeitlichen Angelegenheiten gewissenhaft geordnet, ließ er sich durch
nichts mehr stören und sah mit unvergleichlicher Ruhe dem Verlaufe der Krankheit entgegen.
Es kam der 29. November. Der Vormittag verlief auffallend gut. Der Kranke empfing
noch sein Domkapitel, und Niemand konnte eine Verschlimmerung oder gar die Nähe der Gefahr
bemerken. Mittags genoß er etwas Speise und das machte ihm Beschwerde. Um zwei
Uhr nachmittags zeigte sich schon die ganze Größe der Gefahr. Die drei behandelnden Aerzte
konnten nur mehr die Nähe der Katastrophe konstatiren. Noch empfing er für einige Momente
feinen foeben aus Vorarlberg herbeigeeilten Neffen, Othmar, dann gab er Allen, die in
zwischen in's Zimmer gekommen, das Zeichen, sich zu entfernen und fragte hierauf deu zurück
gebliebenen Sekretär: „Wie lange kann ich noch leben?" Dieser erwiderte mit bewegter Stimme:
„Bischöfliche Gnaden, wie es den Anschein hat, nur noch einige Stunden und dann kommt der
große Lohn." „„Ich habe nur," entgegnete nüt der denkbar grössten Ruhe und ergreifendsten
Demut der Sterbende, „an die Gnade des Erlösers zu appelliren."" Hierauf empfing er aus
der Hand seines Neffen noch einmal diesen Erlöser im allerheiligsten Sakramente des Altars als
Wegzehrung mit rührender Andacht, folgte sichtlich allen Gebeten und klopfte bei den Worten:
Herr Jesus, Dir lebe ich! Herr Jesus, Dir sterbe ich! Herr Jesus, Dein bin ich todt und
lebendig! Amen — dreimal an die Brust. Man konnte überhaupt nicht merken, dass er bis
zum letzten Ende auch nur für kurze Zeit das Bewusstsein verloren hätte.
Das Sterbezimmer hatte sich indessen gefüllt, da die Schreckensnachricht rasch durch die
ganze Stadt gegangen. Es waren das Domkapitel bis auf zwei kranke Mitglieder, das Professoren
kollegium der Theologie und mehrere andere Priester nebst etlichen Laien und der Dienerschaft
anwesend. Als sein Beichtvater kam, begrüsste er ihn freundlich mit der Hand, und dieser über
nahm es nun, ihm in den letzten Augenblicken beizustehen.
Der Beichtvater schrieb in's „Linzer Volksblatt" über die letzten Augenblicke des Bischofes
wie folgt:
„Ich besprengte den hohen Kranken ab und zu mit dem hl. Weihwasser, was ihm ein
Labsal zu sein schien.
Er frug mich halblaut: Ist der Tod nahe, oder dauert es noch lange?
Ich entgegnete: „'Dies weiss der liebe Gott allein, sock rnornenta vitae decurrunt.
(Schnell entschwinden die Augenblicke des Lebens.) Herr, Dein Wille geschehe!
Als ich ihm drei- oder viermal das hl. Kruzifix und das Gnadenbild der Mutter Gottes
von Altötting, welches ich auf seinem Kopfpolster vorfand, zum Küssen darreichte, lächelte er
jedesmal freundlich.
Einmal lispelte er, und zwar vernehmlich, folgendes Gebet:
„„Christe, cum sit liinc exire,
Da per Matrem me venire
Ad palmam victoriae.-'“