Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1886 (1886)

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„ich ihm nicht mehr schreiben kann, bitte ihm zu sagen, dass ich es liebe bis zum Sterben, und 
„dass ich ihm für seine Liebe danke. Es solle feststehen im Glauben." 
„Wenn ich sterbe, sterbe ich ohne Zorn gegen irgend einen Menschen. Wenn ich irgend 
„Jemand beleidigt habe, bitte ich um Verzeihung." 
„Das Werk des Domes empfehle ich dem Capitel, wie auch alle Anstalten der Diöcese." 
Dann machte der Bischof Mittheilung von einem kaiserlichen Worte, das Se. Majestät 
vor 10 Jahren gesprochen und fügte bei: „Ich wünsche, dass der Kaiser daran erinnert werde 
und bitte, ihm auch zu sagen, dass ich in treuer Anhänglichkeit an Ihn in die Ewigkeit gehe. 
Nun vertraue ich auf Gottes Barmherzigkeit, auf die Gnade des Erlösers und auf die Fürbitte 
der Unbefleckten." 
„Jesu cum sit liinc exire, 
Da per Matrem me venire 
Ad palmam victoriae. 
Quando Corpus morietur, 
Fac ut animae donetur 
Paradisi gloria.“ 
Mein Jesu, kommt es einst zum Scheiden, 
Komm' mit der Mutter, dass mit Beiden 
Die Siegespalme ich erlang', 
Und wird der Leib in's Grab gesenket, 
All' Eurer Gnaden dann gedenket, 
Dass ich Verzeihung dort empfang'. 
„Zur freudigsten Ueberraschung trat in der Nacht eine Erleichterung ein, ohne jedoch 
länger als einen Tag zu dauern, indem am folgenden Mittwoch neuerdings das Uebel den äußersten 
Grad erreichte. In dieser Nacht suchte man von dem Kranken die Erlaubnis zu erwirken, einen 
Speeialarzt aus Wien berufen zu dürfen, die er nach einigem Zögern mit dem Bemerken, 
dass solche Berufungen in der Regel doch wenig nützen, endlich ertheilte. Wahrscheinlicher 
Weise hat diese Berufung das theure Leben uns doch noch auf mehrere Tage gerettet. 
Es lässt sich nicht beschreiben, welche Bewegung und Theilnahme die Nachricht von 
der gefährlichen Erkrankung unseres Franz Joseph in allen Kreisen der Bevölkerung und weit 
über die Grenzen Oberösterreichs hinaus hervorgerufen hat. Die Journalistik aller Parteirichtungen 
verfolgte den Verlauf der Krankheit mit einer Aufmerksamkeit und Genauigkeit, die mit Aus 
nahme von den höchsten Standespersonen sonst nur einem Welt-Ereignisse geschenkt werden. Zahlreiche 
Kundgebungen des Beileides aus dem Schooße geistlicher und weltlicher Würdenträger der öster 
reichischen Monarchie und auch von auswärts trafen am Krankenlager ein; der hl. Vater sandte 
seinen Segen und unvergessliche Worte der Liebe. „Der heilige Vater und ich" telegraphierte 
der Saatssecretär Jacobini, „sind sehr schmerzlich berührt über die schwere Erkran 
kung des hochwst. Herrn Bischofs. Wir senden die innigsten Gebete zu Gott 
für seine Gesundheit. Indessen schickt ihm der hl Vater aus der ganzen Fülle des 
Herzens den apostolischen Segen." Und in immerwährender Dankbarkeit wird die Diözese 
der großen Huld gedenken, die Se. Majestät der Kaiser in dem großen Kranken ihr erwiesen. 
Der Kranke selbst beschäftigte sich ausschließlich mit Gott, nur die jährliche Sammlung 
zum Dombau ordnete er für den 8. Dezember aus eigenem Antriebe noch an, ferner ließ er dem 
Clerus melden, die Gratulation zum kommenden Namenstag, 3. Dezember, zu unterlassen. 
In allen übrigen Dingen bewahrte er eine absolute Teilnahmslosigkeit, was der näheren 
Umgebung stets die peinlichste Besorgnis einslösste, da er sonst auch bei Unpässlichkeiten das regste 
Interesse für die lausenden Geschäfte, Tagesereignisse und Zeitungen an den Tag legte. Das 
Breviergebet verrichtete er, so lange es möglich war; als das Buch seinen Händen zu schwer 
wurde, ließ er sich ein Notenpult zum Auflegen desselben bringen, und als seinen Augen und 
Kräften das Lesen nicht mehr möglich war, musste ihm der Sekretär dasselbe in mehreren Absätzen 
vorbeten, und da ihn endlich auch dies zu sehr anstrengte, bat er zur Beruhigung seines Gewissens 
den Beichtvater um gänzliche Dispens.
	        
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