Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1886 (1886)

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und blieb fortan schwach auf den Füßen. In Bregenz wollte das Gehen und Stehen schon gar 
nicht mehr gelingen, zumal er ein stark beleibter, schwerer Mann war. Selbst die hl. Messe las 
er grösstenteils sitzend. Dort im Armsessel vor dem Muttergottesaltare in der Klosterkirche der 
Dominicaner inen brachte er viele Zeit des Tages betend zu, die übrige Zeit betete, las und 
schrieb er in seiner Wohnung, zunächst dem Kloster Thalbach. Der Bischof blieb eine Woche in 
Bregenz, war im Decanshose abgestiegen, und besuchte bei Tag vorzugsweise den Bruder. Ein 
mal hatte der Bischof sämmtliche Priester der Stadt und Umgebung in den Gasthos „zu den 
vier Jahreszeiten" zu einer Merenda (Jause) geladen. Damals und auf seiner ganzen Reise durch 
Vorarlberg unterhielt er sich und die Umgebung gerne mit Erinnerungen aus der Vergangenheit. 
Diesmal erzälte er unter manchem Andern von seiner Mutter, wie sie mit ihren Kindern säst 
regelmäßig zweimal des Tages den Psalter gebetet habe. — Am Schlüsse der ganzen Conver- 
sation sprach er laut: „Heute besuche ich euer Casino und Sie, Herr Decan, begleiten mich." 
Dort hielt der Bischof eine Rede, die in das „Gedenkbuch" und in Aller Herzen eingetragen blieb. 
Als er nach Schruns hinein kam, erinnerte sich der Bischof an alle Einzelnheiten aus 
seiner Jugend. Schruns war ihm neben Patenen eine zweite liebe Heimat aus der Jugendzeit. 
„Das liebe Schruns", pflegte der Bischof in Linz gar gern zu sagen, wenn von Montavon die 
Rede gieng. 
In Patenen las der Bischof die hl. Messe und betete lange vor dem Hochaltar mit den 
14 hl. Nothelfern und vor dem Altare des hl. Martinas und dem Altarder Muttergottes. Dann 
besuchte er das Haus, H wo einst seine Wiege gestanden, und das jetzt einem entfernten Verwandten, 
Joh. Joseph Rudigier vulgo Ödamle, gehört. Lange fass der Bischof da, in Freud' und Leid der Ver 
gangenheit vertieft. Tisch und Thüren waren noch dasselbe Zirmenholz, das seine Schwestern einst so 
blank gescheuert; die Wände aber sind jetzt getäfelt, während sie vordem aus schwarzen, aufein- 
ander gelegten Balken bestanden. „Möge stets und überall so gebetet werden, wie meine Mutter 
hier gebetet hat," sagte er und gieng dann zu Daniel Tschofen, der jetzt ein Gastwirt und einst Schul 
kamerad Rudigiers war?) Beide erinnerten sich noch, wie Franz Joseph geweint, als Daniel, 
sein Nebenministrant am Altare und sein Nebenmann auf der Schulbank, nicht mitgieng zum 
Studieren. „Dafür hat mein jüngerer Bruder, Basilius," meinte Daniel, „den besseren Teil 
erwält." Ist seitdem auch gestorben als Conventual (Ordenspriester) und Lector in Gries. Dann gieng 
man zum Lehrer Joh. Ant. Rudigier, damals schon alt und gebrechlich; er starb das Jahr darauf (1870); 
er war 82 Jahre alt und durch 62 Jahre Lehrer gewesen. Der Bischof hat ihn in den letzten 
Jahren unterstützt bis zu seinem Tode. — Und wenn die Expositur Patenen (hier Kuratie 
genannt), seit Langem wegen Priestermangel und karger Dotation unbesetzt, wieder einmal einen 
Priester bekommt, wird sie es wesentlich dem Bischof Rudigier zu danken haben, welcher zur 
Aufbesserung des Benesiciums circa 1000 fl. in jährlichen Raten beigesteuert hat. Der Bischof 
hätte solchen Beitrag fortgesetzt, wenn er das Leben behalten hatte. Die dankbare Gemeinde hat 
daher auch am Neujahrstag 1885 den einstimmigen Beschluss gefasst, ihrem seligen Mitbürger 
Franz Joseph Rudigier ein Denkmal zu setzen, wie es die Mittel erlauben. Das Denkmal soll 
*) Ich besuchte dies Haus am 11. August 1885. Es hat Haus-Nr. 2 int sauberen, aber ärmlichen Dörfchen Patenen 
und ist im dort üblichen Style eines „kleinen Bauerngütl" erbaut. Sehr bezeichnend ist die Aufschrift auf den gezimmerten von 
der Sonne arg gebräunten Balken oben unterm Dach herum auf der Süd Westseite des Hausstockes; sie lautet: 
„Dies Haus hab' ich gebaut zu Gottes Ehr', 
Durch Mariens Fürbitt darin keine Sünd' geschehe mehr! 
Wer einen Andern will verachten, 
Muss sich zuerst selbst betrachten, 
Ist er fehler- und tadlfrei, 
Dank' er Gott, dass er es sei!" 
Im Jahre 1807 brannte nämlich das Dorf Patenen nieder, und diese Aufschrift stammt daher vom Vater des Hochseligen Bischofes. 
~ Es sei mir hier auch eine Correctur gestattet. Am genannten Tage sah ich im Pfarrhofe zu Gaschurn das Original-Taufbuch 
ein, was vor mir meines Wissens nur 2 Priester der Diöcese Linz, die Hochw. Herrn Pfarrer Michael Putz unb Ferdinand 
Pichler, auch gethan; dort heisst cs: 7. April (86. 1811) 1 Uhr nachmittags geboren eoäem getauft: Franz. Vater: Christian 
Rudigier, Bauer zu Parthenen Nr. 2; Mutter: Maria Josefa geb Tschofnin; Pathen: Johann Peter Flöry und Maria Christina 
Both, Bauersleute zu Gaschurn. Der Taufende war bekanntlich Pfarrer Omayr, ein mit den Bayern eingewanderter Priester. 
Die bisher gewöhnliche Angabe ,,6." April als Geburtstag des großen Bischofes ist somit ein Irrtum. 
2 ) Er lebt heute noch.
	        
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