Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1888 (1888)

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schön schaute es sich hinab in's weite Thal! Wie mit 
flüssigem Silbermetall durchzog der Donaustrom mit 
Fruchtsaaten gesegnete Gefilde und Auen umsäumt 
von Weidengebüsch, das wie die daran grenzenden 
Kornfelder in leisen Wellen des darüber hinstreichenden 
Abendwindes auf und nieder wogte. Die gefiederten 
Waldbewohner verdoppelten. ihren Eifer tut Wett- 
gesange, heute war ja zuin erstenmale der Spötter 
unter ihnen und gab die seinen Kameraden abgelauschten 
Weisen auf winzigem Goldschnabel doppelt schön zum 
Besten. Hie und da grüßten Burgen aus Tannen 
gebüsch uitd Buchenwald, die Heimstätten ritterlicher 
Tapferkeit. Ihr Anblick, sowie die fortrauschenden 
Wasserwogen zauberten ihr ein Bild der Zeit vor 
Augen. Die Wasserwogen, sagte sie sich, wandeln 
Jahr für Jahr und kehren nimmer, so auch die Wogen 
der Zeit. Welch' schöne Tage sah die Stauf einst, 
als Ulrich Graf von Schaunberg, von 1369 - 1373 
Landeshauptntattn in Oberösterreich, hier glänzend Hof 
hielt. Und die herrlichen Feste, die glänzenden Gelage, 
wo bei festlichem Mahle fröhlich kreisten die Pokale, 
die Turniere und Jagdaufzüge, Minnegesang und 
Saitenspiel, von dem noch vorhandene Mandolinen 
zeugen, alles das hat der Strom der Zeit mitfort- 
genommen und nur Einsamkeit und zerbröckelnde 
Mauern zurückgelassen. Und was wird die Zukunft 
bringen? dachte sie weiter und der Gedanke an Andre 
erwachte wieder und halb unbewusst nach einer Mando 
line greifend entschleierte sie die in ihrem Herzen 
schlummernden Gefühle in leisem, lieblichen Gesang: 
Wenn hold im Morgenthau 
Blümchen auf grüner Au 
Lächelt im Sonnenschein 
In's Auge dir hinein, 
Denk minniglich 
Ich auch an dich. 
Wenn Vöglein an: grünen Ast 
Ohne Ruh, ohne Rast 
Alls kleinem Schnäbelein 
Flötet vor dir so fein, 
Denk minniglich 
Ich auch an dich. 
Wen:: funkelnd in: Dämmerlicht 
Sternlein sanft zu dir spricht: 
Schließe zur süßen Ruh 
Die müden Augen zu, 
Denk minniglich 
Ich auch an dich. 
Wieder drang ein unterdrückter Seufzer an 
Angela' s Ohr, als wieder Andre es war, der aus 
dem Gebüsche sprang mit dem Rufe: Verzeih' aber 
mals Angela! dass ich wieder da bin ; allein ich musste. 
Der Kampf gegen Knechtschaft und Papisten ist ent 
brannt, schon liegen sieben Soldaten erschlagen auf 
der Wiese droben, auch das Häuschen der Papisten 
hexe, deiner Base Agath ist verbrannt und sie darunter; 
der Stöff hat es gethan, weil sie bei der Versamm 
lung vieles sagte, was ihn in die Seele brannte. 
Beschluss ist, die Burgen zu erbrechen, um Waffen 
zu bekommen. Mein Vater ist in's Mühlviertel, 
andere sind gegen Weidenholz, Peuerbach und Parz 
aufgebrochen, und der Bäcker zu Haibach David Spatt 
kommt mit dem Stöff und einigen fünfzig Mann 
hieher und zur Schaumburg, nebstbei werden die 
Papisten gerupft oder zu einem Liedlein (Stöhnen 
bei Martern) gezwungen; d'rum schnell mit mir fort 
Angela, bevor sie kommen! Doch sie waren schon da. 
Hieher komm, sagte entschlossen Angela zu Andre, 
fasste ihn bei der Hand und zog ihn der Burgmauer 
entlang zum Burgthor auf der Westseite des Schlosses. 
Schon begehrte man Einlass, als Angela in kühner 
Gestalt, wie sich die Heiden eine Göttin dachten, mit 
dem barschen Rufe „zurück"! ihnen entgegen trat. 
Während die Eindringlinge einige Augenblicke Staunen 
gefesselt hielt, öffnete sich das Schlossthor und Angela 
schlüpfte schnell hinein, den willenlosen Andre nach 
sich ziehend. Aber plötzlich sprang der Stöff hervor 
mit dem Schrei, du papistischer Haderlump! während 
wir ausziehen, Blut und Leben zu wagen, scharmucirt 
er mit der Papistendirne, die er nicht haben soll, da 
ich sie mir vorbehalte, wenn die Freiheit des Evan 
geliums durchgedrungen ist, und ein wuchtiger Schlag 
der großen Streitaxt durchbohrte das schnell geschlossene 
Thor. Ein Schmerzschrei drang heraus, auf den 
Stöff erwiderte, der hat's nach Gebür auf ben Kopf 
bekommen, der kommt nicht mehr. Da man nicht 
Einlass gab, begann man an gefährlichen Stellen 
Feuer zu legen und schon züngelte die fressende Flamme 
zum Dache empor, als plötzlich alles auseinander stob 
mit dem Angstruf, die verbrannte Papistenhexe holt 
uns, und die Meute war entflohen. Agath stand 
wirklich nothdürftig mit halbverbrannten Fetzen und 
Brandwunden bedeckt, vor dem Thore, aber sie hatte 
noch Leben in sich, war aus dem brennenden Hause 
unbemerkt in das Gebüsch entkommen und möglichst 
schnell hergeeilt, um Warnung zu bringen. Nach 
einigen Augenblicken öffnete sich das Thor und Agath 
trat ein. Du hast mehr gethan, rief ihr Bruder, als 
ein Kriegsheer. Die Hallutiken glaubten dein Gespenst 
zu sehen und das fürchten sie mehr als Hölle und 
Teufel. Die Angst vor der verbrannten Hexe hat sie 
über den Berg geblasen, doch Schwester, da habe auch 
ich meinen Theil bekommen, griff zum Hinterhaupte 
und sank ihr ohnmächtig in die Arme. Sie sah nun 
die klaffende Wunde, die der dem Andre vermeinte 
Hieb zurückließ. Auf das Jammergeschrei der Agath 
kain der im Schloss anwesende Jäger herbei und so 
bemühten sich beide den Verwundeten in ein Gemach 
zu schaffen. Doch wo ist Angela? fragte bestürzt 
Agath. Gott im Himmel, rief der Jäger, noch vor 
einer Viertelstunde war sie ans der Bank vor dem 
Schlosse und sang das schönste Lied auf der Welt, 
sicherlich haben sie die Hallunken geraubt; und er 
wollte den Wartthurm besteigen, um nach ihr aus 
zuspähen, als sie aus dem Gange kant, der zu den 
Verließen führt. Dort habe ich einen Gefangenen 
hinter Schloss und Riegel gesetzt, der mir nicht so 
leicht entkommen soll, sagte sie, und sie erzählte den 
Vorfall mit Andre. Da es Andre mit dir gut gemeint, 
so hast du recht gethan, sagte Agath, der Stöff hätte 
ihn todt geschlagen, so hat der Streich deinen Vater 
getroffen Das war bittere Kunde für Angela, welche 
nun mit Agath bemüht war, mit heilsamen Kräutern 
die Wunde zu stillen und den Bewusstlosen znm Leben 
zurückzurufen. 
Das wird kein leichtes Geschäft werden, seufzte 
Angela, hier den Sterbenden, unten den Gefangenen, 
dem ich jetzt Nachricht bringen 'muss. Zugleich griff
	        
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