Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

AUS DER ZEIT DER REGIERUNGSFÜHRUNG ALS STAATSCHEF 
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beit derart auszuführen, daß nicht nur das jetzige Ge¬ 
schlecht, sondern sogar die Urenkel keine Nadel mehr dar¬ 
unter einzwängen können. Das erfordert ungeheuer viel 
Arbeit, die unmöglich wird, wenn die Zeit knapp ist. Viel¬ 
leicht haben gerade deshalb die Arbeiten an der Verfas¬ 
sung zwei Jahre gedauert. In diesem Falle hatte ich es aber 
gerade sehr eilig. 
Als ich mein Mißtrauen gegen die Juristen ausgespro¬ 
chen hatte, beschloß ich mich an diejenigen zu wenden, 
die am schnellsten handeln, zuweilen sogar schneller han¬ 
deln als denken. Sie boten mir jedoch die Gewähr dafür, 
daß die Arbeit am Wahlgesetz in möglichst schnellem Tempo 
geleistet würde. Deshalb berief ich zum Ministerpräsiden¬ 
ten einen Offizier der II. Brigade, den Pionierhauptmann 
und Ingenieur Moraczewski. Auf alle Fälle ließ ich ihn 
stramm stehen — in jenen Zeiten war Vorsicht nicht über¬ 
flüssig, meine Herren —. Dann sagte ich ihm: Herr Haupt¬ 
mann, Sie sollen Ministerpräsident werden, aber unter zwei 
Bedingungen: 1. daß Sie mit Ihren Verordnungen nicht in 
die sozialen Verhältnisse eingreifen und 2. — hier erhob ich 
meine Stimme — daß Sie im Laufe einer Woche ein Wahl¬ 
gesetz ausarbeiten, und zwar so, als ob Sie einen Schützen¬ 
graben zu bauen hätten. Moraczewski bat mich um drei 
Tage Aufschub, womit ich mich einverstanden erklärte. In 
zehn Tagen war also das Wahlgesetz fertig und wurde mir 
zur Unterschrift vorgelegt. 
Das ist meine Hauptsünde gegenüber dem Recht: Mi߬ 
trauen gegen die Juristen, was die schnelle Ausarbeitung 
von Gesetzen anlangt. Ob das ein Ergebnis meiner „krimi¬ 
nellen66 Vergangenheit war oder meiner soldatischen Art, 
ob es angesichts dessen so ungefährlich war, den Händen 
eines „Kriminellen66 nicht nur den Staat, sondern auch
	        
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