Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

AUS DER ZEIT DER REGIERUNGSFÜHRUNG ALS STAATSCHEF 
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führten, war so sanft und unmerklich, daß ich dadurch auf¬ 
hörte, vor dem Recht Furcht zu haben. 
Ich wende mich nun einem weiteren Geständnis zu, des¬ 
sen Gegenstand ich als eine meiner Hauptsünden betrachte; 
denn von der ersten hat mich heute früh der Herr Dekan 
freigesprochen. 
Mit dem Augenblick, in dem ich Staatschef geworden 
und in meiner Hand unbegrenzte Gewalt vereinigt war, 
sollte ich über die polnische Volksgemeinschaft herrschen, 
die in sklavischem Gehorsam erzogen war und wußte, daß 
der Soldat unter meinem Befehl alles ausführen würde, 
was ich von ihm verlangte. In diesen Zeiten, als noch ein 
Rechtszustand in Polen fehlte, wurde ich zur Quelle neuer 
Rechte, die erst geschaffen werden mußten. In diesem für 
mich schweren Augenblick stand ich vor einem Entschluß, 
hinsichtlich dessen sich mir der Dienst des Juristen in 
einer anderen Beleuchtung dar stellte. 
Erlauben Sie mir, meine Herren, diese Sünde in aller 
Offenheit einzugestehen: in diesem Augenblick habe ich zu 
den Juristen kein Vertrauen gehabt. Ich hatte beschlossen, 
sie um keinen Rat zu fragen und von vornherein ihren 
Rat nicht zu befolgen. Hier kam der berufsmäßige Krimi¬ 
nelle zum Vorschein, oder aber der Soldat, der einen schnel¬ 
len Entschluß sucht, oder auch meine fehlende juristische 
Begabung; ich überlasse es Ihnen, meine Herren, und der 
Geschichte, das zu entscheiden. Ich beschloß schon vom 
ersten Augenblick an, eine neue Rechtsquelle zu schaffen, 
die weniger angreifbar wäre, besser in die moderne Welt 
passend und nicht so unfaßbar und schwankend wie der 
Wille des einzelnen. Ich entschloß mich, die Rechtsquelle 
in der Volksvertretung zu suchen. Aber ein Entschluß und 
seine Ausführung — das sind zwei ganz verschiedene Dinge.
	        
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