Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

AUS DER ZEIT DES POLNISCH-RUSSISCHEN KRIEGES 49 
Epoche des Mickiewicz. Aber diese Mauern haben auch 
schlechtere Zeiten, Zeiten des Unglücks gesehen, in denen 
ich ein kleiner, unbedeutender Mitspieler war. Auch da¬ 
mals war es eine Schule, aber über ihr stand, weithin sicht¬ 
bar, die drohende Aufschrift: vae victis! — wehe den Be¬ 
siegten! Aber diese Besiegten waren kleine Kinder oder 
halbwüchsige Jünglinge. AJles, was der Kinderseele heilig 
und teuer war, das war dort der Verachtung und Herab¬ 
setzung preisgegeben. Die edleren und empfindlicheren See¬ 
len flocht man dort aufs Rad der Qual, die schwächeren 
stieß man auf den Kehrichthaufen der Niedertracht. Bei 
der Erinnerung an diese Zeiten drängen sich uns, den Schü¬ 
lern dieser Schule, Worte des Fluchs auf die Lippen. 
Die Schicksale dieser Mauern sind den Schicksalen die¬ 
ser Grenzmark ähnlich. Alle Völker, alle Staaten haben 
ihre Grenzmarken. Unglückselig und unstet ist das Schick¬ 
sal der Städte und Siedlungen im Grenzland. Wenn ein 
Sturm entsteht, so erschüttert er vor allem die Fundamente 
ihrer Häuser, wenn sich Wolken zusammenziehen, peit¬ 
schen die scharfen Hagelkörner vor allem die Felder in der 
Mark. Wenn Blitz und Donner dröhnen, so schlagen sie vor 
allem hier in Türme und Behausungen ein. 
Dort, im fernen Mittelpunkt unserer Heimatkultur, geht 
vielleicht den Menschen noch die Sonne auf, während hier 
schon schwarze Nacht herrscht. Und wenn endlich das 
Schicksal den Winter das ganze Volk mit seinem weißen 
Leichentuch bedecken heißt, so werden hier Winter und 
Frost am grausamsten sein, werden hier den Atem der 
Menschen stocken und das Blut in den Adern erstarren las¬ 
sen. Unglückselige Grenzmark! Und doch lebt tiefes Glück 
in ihr! Nicht das Glück, das aus dem Stolz auf große Lei¬ 
den und große Opfer strömt, nicht das Glück, das aus er¬ 
4 Pilsudski IV
	        
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