Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

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BEDEN UND ARMEEBEFEHLE 
meines Lebens in Einsamkeit zugebracht, daß ich eine Nei¬ 
gung fühlte, über die Worte nachzusinnen und über die 
Begriffe, die sie bezeichnen. Ich will über ein Wort spre¬ 
chen, so wie ich häufig in meiner Einsamkeit über dieses 
Wort nachgedacht habe. Dieses Wort lautet in der polni¬ 
schen Sprache „mily66. Es läßt sich kaum in eine andere 
Sprache übersetzen. Als ich in anderen Sprachen nach 
einem sinngemäßen Ausdruck suchte, konnte ich nirgends 
etwas Gleichwertiges finden. Das Wort „mily („lieb66) läßt 
sich auch nicht leicht durch ein Synonym bezeichnen. 
Nehmen wir ein ihm begrifflich nahestehendes Wort wie 
„schön66 oder „hübsch66, so kann „lieb66 zuweilen ein Ge¬ 
gensatz dessen sein, was „schön66 oder „hübsch66 ist. Wir 
sprechen von einem „lieben Gesichtsausdruck66 oder von 
einem „lieben Lächeln66, wir sagen auch „liebe Erinnerun¬ 
gen66. Der Begriff der Schönheit ist in allen diesen Be¬ 
zeichnungen nicht enthalten. Eine liebe Sache ist nicht 
schön. Ein anderer Sinn beherrscht dabei die Seele. Ein 
anderer Gedanke wirkt anziehend. „Lieb66 ist — wenn man 
richtig darüber nachdenkt — etwas, das lieb ist, und da¬ 
mit ist alles gesagt. Wir finden keine sinngemäße Bezeich¬ 
nung, die diesem Wort entspräche und es einigermaßen 
erklärte. Darin liegt sein Zauber und seine Wirkung. Ein 
Zauber und eine Wirkung, die stärker sind als die Macht 
und schöner als die Schönheit, die uns einen Augenblick 
verschaffen mag, der anzieht und die Seele fesselt, so daß 
man den Himmel auf Erden zu haben meint. Wenn ich nun 
weiter über den Begriff „lieb66 nachdenke, so meine ich, 
es ist am leichtesten, ihn sich zu erklären, wenn man liebe 
Erlebnisse ins Gedächtnis zurückruft, wenn man das Wort 
„lieb66 durch das zu erklären versucht, was allen Menschen 
lieb ist, was von demjenigen Kunde gibt, das ihnen lieb ist.
	        
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