Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

AUS DER ZEIT NACH DEM MAIUMSTURZ 
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siegreichen Ende führen. Auf allen anderen Gebieten habe 
ich keine Wiedergeburt gefunden. Unablässiger persön¬ 
licher Zank und Parteihader, ein seltsames Aufwuchern von 
Unsauberkeit und ein freches, schurkisches Übergewicht 
häufig sogar bestechlicher Elemente machte sich allenthal¬ 
ben breit. 
Mächtig breitete sich in Polen die Niedertracht der Leute 
aus. Die demokratischen Freiheiten wurden dermaßen mi߬ 
braucht, daß man letzten Endes die ganze Demokratie hätte 
hassen müssen. Das Parteiinteresse überwog alles. Die Par¬ 
teien in Polen vermehrten sich so, daß die Allgemeinheit 
es nicht mehr begriff. Das alles richtete sich gegen jeden, 
der den Staat verkörperte. Dieser Repräsentanten des Staates 
gab es drei: Mir als Staatschef hatte man das Leben mit 
ständigem Nachstellen, Verleumdungen und widerwärtigen 
Anwürfen verekelt. Ich bin nur deshalb nicht gestürzt, weil 
ich stärker bin als Ihr alle. Den zweiten Repräsentanten 
des Staates hat man ermordet, und die moralischen Anstif¬ 
ter dieses Mordes kamen straflos davon. Der dritte brach 
unter der Last der Qual zusammen, deren Ursache Sejm 
und Senat waren. 
Als ich das letzte Mal im Belvedere bei Herrn Wojcie- 
chowski war, tat er mir leid. Der Mensch welkte dahin, er 
war dank der Arbeit des Landtags und des Senats merklich 
gealtert. Als ich ihn zu überreden suchte, daß er sich der 
Parteiherrschaft widersetzen müßte, antwortete er mir, daß 
er es gern täte, doch er fühlte, daß es ihm nicht gelingen 
würde. In solche Lage werden diejenigen gebracht, die man 
zu Repräsentanten des Staates wählt. 
Die Verhältnisse haben eine solche Wendung genommen, 
daß ich Euch nicht in den Saal der Nationalversammlung 
hineinzulassen brauchte und mit Euch allen meinen Spott 
U Pilsudski IV
	        
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