Volltext: Józef Piłsudski Reden und Armeebefehle (Band IV / 1936)

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REDEN UND ARMEEBEFEHLE 
es jedem scheinen, daß beispielsweise ein Minister außer der 
Fähigkeit, sein Ressort zu führen, noch unumgänglich fol¬ 
gende Eigenschaften besitzen muß: a) Begabung als parla¬ 
mentarischer Redner, b) besondere Befähigung für parla¬ 
mentarische Intrigen, c) die Fähigkeit, den besonderen 
größeren und kleineren Ansprüchen der einzelnen Gruppen 
und Grüppchen und sogar der einzelnen Abgeordneten 
Rechnung zu tragen. 
Dieser besonderen Aufgabe, die mit dem Wesen seines 
Ressorts nichts zu tun hat, muß der Minister so viel Zeit 
und Mühe widmen, daß ihm, nach allen Beobachtungen 
über den Inhalt seiner Arbeit, für die er sozusagen verant¬ 
wortlich ist, vielleicht eine halbe Stunde am ganzen Tage 
für seine eigentliche Amtstätigkeit übrig bleibt. Diese Zeit 
kann er lediglich dann ausdehnen, wenn sich Sejm und Se¬ 
nat, zum Glück für die Regierung, auszuruhen entschlie¬ 
ßen. Dann erst kommt für jede Regierung der verdiente 
Zeitpunkt der Erholung und ein großes erleichtertes Auf¬ 
atmen. Dann erst hat der Minister die Möglichkeit, seinen 
Amtsbereich tatsächlich kennenzulernen und sich klarzu¬ 
machen, daß er der Mann ist, der für alles in seinem Res¬ 
sort verantwortlich ist. Anzunehmen, ein solcher für die 
Bedienung der Herren Abgeordneten und Senatoren be¬ 
stimmter Minister hätte die Möglichkeit, zu zeigen, daß er 
zu regieren vermag, ist reine Einbildung. 
Spaßeshalber will ich ein Beispiel anführen. In dem 
Ministerium, mit dem ich mich befasse, arbeiten einige 
Offiziere mit den dazugehörigen Hilfskräften lediglich zu 
dem Zweck, die endlos herabregnenden Forderungen der 
Herren Abgeordneten zusammenzustellen, die sich auf fol¬ 
gende Dinge beziehen: a) Versetzung von Bekannten, Ver¬ 
wandten, Bekannten der Verwandten und der den Abge¬
	        
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