DIE MAIOFFENSIVE DER SOWJETARMEE
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schwärm mit dem ernährt, was sich eben vorfinden läßt,
die für längere Zeit bestimmten Munitionsvorräte hinter
sich herschleppt, was doch seinerzeit der Tatare, dessen
Bewaffnung aus Speer und Bogen bestand, nicht notwendig
hatte: eine solche Reiterei zu einer Armee gebildet, schien
mir damals und scheint mir auch heute noch ein strategi¬
scher Unsinn zu sein. Ich schrieb ihr also keine große Be¬
deutung zu und erklärte mir ihre Erfolge auf andren sow¬
jetrussischen Kriegsschauplätzen, von denen ich hörte, eher
als Folge innerer Zersetzung der gegen sie kämpfenden
Truppen, ohne an einen reellen Wert dieser Kampfweise
zu glauben.
Ich sah mich sogar nach den ersten Erfolgen der Rei¬
terei Budiennys, die übrigens mit der Beendigung unsrer
Gegenoffensive gegen Tuchatschewsky zusammenfielen,
nicht veranlaßt, mein Urteil zu ändern. Ich sah nirgends
Truppen, die von ihr auf gerieben waren. Ihre ersten Ver¬
suche, östlich von Koziatyn durchzubrechen, wurden von
Teilen der 13. Infanterie-Division vereitelt. Ich wunderte
mich nicht, daß die Reiterei Budiennys schließlich unsre
Front durchbrach — was übrigens gar nicht schwer war —
und nicht besonders tief in unsren Rücken stieß. Ich
glaubte, es würde uns nicht schwerfallen, bei gleichzeiti¬
gem Einsatz von Infanterie und Kavallerie die Reiterei
Budiennys teilweise zu schlagen und zum Rückzug zu zwin¬
gen. Da es mir nicht um den Besitz dieses oder jenes Ge¬
ländestreifens ging, entschloß ich mich unbehindert zu ma¬
növrieren, ohne mich an den Besitz irgendeines Terrain¬
punktes zu klammern. Eiji wenig unruhig machte mich die
große Panik in der Etappe, wobei ich noch keinen größeren
Einfluß auf die Geistesverfassung der Fronttruppen be¬
merkte.