M. TUGHATSCHEWSKY, DER VORMARSCH ÜBER DIE WEICHSEL 275
Durchmarsch durch das „Tor66 war jetzt für uns weitaus günsti¬
ger. Wir brauchten nicht mehr unsren linken Flügel ahzubiegen
und man konnte unmittelbar auf den polnischen Flügel wirken,
wobei man sich an beiden Seiten der bereits in Betrieb stehen¬
den Eisenbahnlinie Polock — Molodeczno festsetzte.
Bis zu einem gewissen Grade beugten wir den Mängeln in der
Führung vor, die sich in der ersten Operation bemerkbar ge¬
macht hatten. Wir verfügten über 4 Armeekommandos und das
Kommando der Mozvrz-Gruppe. Freilich waren diese Komman¬
dos außer der 15. und 16. Armee sehr schwach ausgestattet und
verfügten über keine hesondren technischen Nachrichtenmittel.
Doch sogar in dieser Beziehung war ein gewisser Fortschritt
sichtbar.
Wir ließen drei unsrer Armeen in den entscheidenden Rich¬
tungen auf marschieren: die 4. Armee (Armeeführer Sergiejew,
Stabschef Szuwajew, ehemalige Nordgruppe), die 15. Armee (bis¬
herige Führer) und die 3. Armee. Die 16. Armee (bisherige Füh¬
rer) blieb weiterhin auf Ihumen, die Mozyrz-Gruppe (Führer
Lazarewicz, Stabschef Lisowski) aber auf Mozyrz gerichtet (Füh¬
rer Chwesin). Ein solcher Aufmarsch ermöglichte uns, unsre über¬
wiegenden Kräfte in der Richtung auf Gl^bokie zu versammeln,
wobei wir sie jedoch ständig und elastisch in der Hand behielten.
Die 4. Armee zählte (ohne 48. Schützen-Division) ungefähr
14 000, die 15. Armee gegen 26 000, die 3. Armee aber gegen
20 000 Bajonette und Säbel; die 16. Armee besaß ihrer 25 000,
die Mozyrz-Gruppe aber ungefähr 6 000.
Auf diese Weise stellten wir an unsrem rechten Flügel den
etwas mehr als 30 000 Bajonetten und Säbeln der Polen unge¬
fähr 60 000 unsrerseits gegenüber. Dabei muß beachtet werden, daß
die Polen ihre Kräfte weit nach rückwärts staffelten, ohne jedoch
eine ausgesprochene Gruppierung anzunehmen, wogegen ihre
erste Linie kordonartig in die Breite gezogen war. Gleichzeitig
konnten ihre Reserven, selbst im Falle ihrer Umgruppierung, im
Augenblick, in dem wir zum Angriff übergingen, keinerlei für
uns gefährliche Kräfteansammlung bilden. Hierzu waren sie zu
schwach, zu verstreut und auseinandergeworfen. Unsrem Plan ent¬
sprach es weiterhin, mit allen verfügbaren Kräften gleichzeitig
einzugreifen, um mit einem Schlag die erste Kampflinie des Geg¬
ners zu vernichten. Ein späteres Eingreifen der polnischen Re¬
serven würde bereits für uns und nicht für jene von Nutzen sein,
da es uns erlauben würde, sie nacheinander zu schlagen.
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