VORWORT
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Das Buch Tuchatschewskys bildet infolgedessen eine Ge¬
schichtsquelle. Er gibt in ihm von seinen Feldherrngedan¬
ken und von seiner Führertätigkeit Rechenschaft.
Aber seine ungewöhnlich abstrakte Arbeitsmethode schil¬
dert uns den Menschen, der — wie schon erwähnt — sein
eigenes Hirn oder Herz zermahlt und sich von der täglichen
Führung seiner Truppen lossagt oder auch diese Führung
nicht zu leisten vermag. Das alltägliche Leben und Streben
der Truppen steht nämlich nicht immer im Einklang mit
den Gedanken und Absichten des Führers; im Gegenteil, es
widerspricht ihnen oft oder wird durch Einwirkung des
Feindes zum Widerspruch genötigt.
Ich will damit nicht sagen, daß Herr Tuchatschewsky tat¬
sächlich seine Truppen auf diese Weise geführt hat; ich
will auch nicht diesen mir gewährten Vorteil gänzlich aus¬
werten. Es fällt mir aber schwer, mich des Eindrucks zu
erwehren, daß sehr viele Erscheinungen im Verlauf des
Feldzugs von 1920 auf diese Neigung Tuchatschewskys, die
Truppen auf so abstrakte Weise zu befehligen, zurückzu¬
führen sind. In meiner Führertätigkeit verspürte ich nie¬
mals eine ähnliche Neigung, und es wäre mir unmöglich,
wenn es sich um Geschichtschreibung handelt, derart an
meine Führung zu denken oder so über sie zu schreiben. Da
ich mich nun entschlossen habe, die mir vorgeschlagene
Arbeit anzunehmen, kann ich in dem von neuem auf dem
Papier entbrannten Streit auf diese natürliche Überlegen¬
heit nicht verzichten, die mir die Analyse gestattet, meine
Gedanken und meine geistige Arbeit mit der Tätigkeit der
mir damals unterstellten Truppen und ihrer Führer zu ver¬
binden.
Ich beschäftigte den Leser in diesem Vorwort so lange,
ohne zum eigentlichen Inhalt überzugehen, um von vielen