Volltext: Der Krieg und die Sozialdemokratie [25]

Nationalpsychose breit, die eher alles andere als deutsch, nämlich 
englisch ist. 
Da halten gealterte Lofräte und Professoren Reden in 
gereimter und ungereimter Sprache, deren Hauptinhalt darauf 
hinausgeht, daß wir Deutschen das Lassen lernen müssen. Der 
luror teutonicu8 genügt ihnen nicht mehr. Der Laß, das offene 
Laster, dessen heimliche Schwester der Neid ist, wird als nationale 
Tugend angepriesen. And er ist doch nur eine Alterserscheinung. 
Die Kraft der Jugend äußert sich in Wut. Laß ist zischende 
Ohnmacht, Wut ist herrliche Gewalt. Laß ist die Feindschaft 
tyrannisch veranlagter Naturen und in seinem Arsprung immer 
bösartig. Wut ist die Waffe des überlegenen Gutmütigen, der 
Vulkanausbruch der Menschen mit viel Lumor und langer Ge¬ 
duld, mit einem Wort der wirklich Deutschen. Wenn sie 
sich ausgetobt hat, kann sie wieder lachen. Das kann England 
nicht. Es ist nicht nur das Land ohne Musik, sondern auch das 
Land ohne Lumor. Selbstherrlichkeit kommt nie zum Lachen, ob¬ 
wohl doch ein Grund dazu sehr nahe liegt. Wenn wir die Eng¬ 
länder mit ihrem vornehm sich gebärdenden Egoismus nicht ge¬ 
kannt haben und uns durch ihre kühle Selbstbeherrschung im¬ 
ponieren ließen, so ist das kein Grund, sie zu hassen. Daraus 
spräche nur der Ärger über uns selbst und unsere selbstverschuldete 
Enttäuschung. Wir sollen sie nur besiegen. Dazu genügt der 
furor teutonicus vollauf, und dazu ist die Zeit gekommen. Nur 
die Wut ist etwas Großes und etwas Schöpferisches, der Laß 
ist klein und subaltern. 
Gegen die Gefahr, aus lauter Deutschtum und Deutschtun 
zu verengländern, ist aber keine Partei von jeher so gefeit ge¬ 
wesen wie die Sozialdemokratie. Sie wirkt in dem nationalen 
Most als nüchternes Wasser. War sie auch vor der alten 
Schwäche der Deutschen, der kritiklosen Bewunderung alles Aus¬ 
ländischen, nicht frei, so hat doch die gewaltige positive Lichtseite 
dieser deutschen Eigenschaft sich in hohem Maße in der sozial¬ 
demokratischen Partei aktiv durchgesetzt. Ihr Verständnis für 
das Wertvolle und Ergänzende im Nationalcharakter anderer 
Völker war von jeher der stärkste Wall gegen alle chauvinistische 
Beschränktheit. Gut deutsch ist die Anerkennung des Rechts auf 
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