Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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3. Malebranche im Oratorium. Das Studium Dcs- 
cartes'. Sein Hauptwerk. 
Um einen solchen Charakter zu entwickeln, wie ihn die Phi 
losophie dieser Zeit bedurfte und in Malebranche empfing, konnten, 
keine Bedingungen günstiger sein als die in dem Oratorium Jesu 
wirksamen geistigen Mächte. Zu dem religiös beschaulichen Sinn, 
zu der theologisch-augustinischen Denkweise mit ihrem platonischen 
Charakter hatte sich bereits die cartesianische Lehre gesellt, als 
Malebranche in die Congregation eintrat. 
Doch wurde er nicht sofort von der herrschenden Strömung 
ergriffen. Er gehörte zu den tiefen Naturen, die selbst innerlich 
erleben müssen, was ihnen innerlich gelten soll. Bis zu seinem 
sechsundzwanzigsten Jahr war ihm sein philosophisches Bedürfniß 
und Talent verborgen. Einer jener bedeutsamen Zufalle, die in 
dem Leben solcher Menschen, die sich selbst erst entdeckt werden 
müssen, nie ausbleiben, erhellte ihm plötzlich die eigentliche Be 
stimmung seiner Natur. Er findet in einem Buchladen den eben 
erschienenen „trait6 de l’homme“ von Dcscartes (1664); der 
Buchhändler macht ihn auf diese literarische Neuigkeit aufmerksam, 
die interessanteste, die er hat; und Malebranche nimmt das Buch, 
um es aus Neugierde zu lesen. Wie er liest, verwandelt sich die 
Neugierde in die größte Bewunderung vor dieser strengen, ein 
leuchtenden, wohlgeordneten, methodischen Denkweise und Dar 
stellung. Zum erstenmale fühlt er den Eindruck der Philosophie, 
der ihn so mächtig und tief ergreift, daß er mehr aks einmal das 
Buch aus der Hand legen muß, weil er vor heftigem Herzklopfen 
nicht weiter lesen kann. 
Jetzt ist er entschieden, Descartes zu studiren; zunächst nichts 
anderes als ihn. Er verläßt die Objecte, die ihn beschäftigt ha- 
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