Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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Hochmuth eine gesteigerte und freudige Empfindung. Da nun 
die Freude stärker ist als die Trauer, so ist auch der Hochmuth 
stärker, hartnäckiger und darum unverbesserlicher als der Klein- 
muth. Der Hochmüthige will auf die Anderen herabsehen. Darin 
besteht sein Selbstgefühl. Darum liebt er die Unterwürfigen, die 
zu ihm emporschauen mit allen Zeichen der Ehrerbietung und 
nichts anderes sind oder scheinen wollen als die gefälligen Spiegel 
seiner Vortrefflichkeit. Nichts ist ihm widerwärtiger als eine Ge 
sinnung, welche die Menschen richtig und darum gleichmäßig wür 
digt, keinen haßt, aber auch keinen überschätzt, also dem Hoch 
muth nichts zu Gefallen thut und nichts zu verzehren giebt. Daher 
liebt der Hochmüthige die Gegenwart der Parasiten und Schmeich 
ler, dagegen haßt er die Großmüthigen, die sich nie überschätzen, 
aber auch nie unterwerfen. Andere geringzuschätzen, ist dem Hoch- 
müthigen die größte Erquickung. Was dieser Geringschätzung 
widerstrebt, empfindet er als eine Last, die ihn drückt. Nichts 
ist ihm darum widerwärtiger, als die Verdienste und Tugenden 
Anderer. Diese Lugenden wird er hassen, und da sie ihm zugleich 
als ein Raub an der eigenen Vortrefflichkeit erscheinen, nothwendig 
beneiden. Die Hochmüthigen sind immer neidisch. Die Klein- 
müthigen sind es auch. Sie erscheinen sich selbst ohnmächtiger 
und erbärmlicher, als die Anderen. Nichts thut ihnen daher woh- 
ler, als wenn sie sehen, daß Andere ebenso ohnmächtig, ebenso 
erbärmlich sind, als sie selbst. Die Leidesgenossenschaft ist ihr 
Trost. Was ihnen imponirt, vermehrt das Gefühl ihrer eigenen 
Ohnmacht, verstärkt den Druck des Kleinmuths und erzeugt dar 
um nothwendig den Neid. So ist das niedrige Selbstgefühl eben 
so neidisch als das hochmüthige. So niedrig sind die Uebermüthi- 
gen und so übermüthig die Kleinen!*) 
*) Eth. IV. Prop. LV. EVI. Coroll. Schol. Prop. LVII. 
Schol. Op. II. pg. 244 — 46.
	        
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