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Heiterkeit ist eine fähige Stimmung und darum stets gut; dagegen
die gedrückte und schwermüthige Stimmung unfähig und darum stets
vom Uebel*). Das sinnliche Wohlgefühl, der Kitzel der Lust ist
in seinem Uebermaß schlecht. Liebe und Begierde, obwohl sie po
sitiver Natur sind, können übermäßig und dadurch schädlich sein **).
Dagegen kann die Selbstzufriedenheit, jenes sichere Selbstgefühl,
in dem wir ruhen, aus dem Bewußtsein der Vernunft hervor
gehen, und es ist auf seinem Gipfel, wenn es sich auf dieses Be
wußtsein gründet***). Die günstige Gesinnung, mit der wir Solche
betrachten, die Andern wohlthun (kavor), ist im Einklänge mit
der Vernunft. Und ebenso der Ruhm, jenes wohlthuende Be
wußtsein, in der Welt anerkannt und geschätzt zu werden. Diese
Empfindungen stärken unsere Uebereinstimmung mit den Menschen
und sind darum nützliche und fruchtbare Affecte ff).
Alle Affecte dagegen, welche die Zwietracht nähren, vermindern
unsere Macht und sind darum schlecht. Deßhalb ist der Haß nie gut,
und alle Affecte sind schlecht, die der Haß erzeugt, wie Neid, Hohn,
Verachtung, Zorn, Rache. Alle gehässigen Leidenschaften sind im
Widerstreit mit der gesellschaftlichen Vereinigung der Menschen, sie
unterwühlen die Eintracht, welche den Zweck der staatlichen Ord
nung ausmacht; sie sind darum nicht bloß schlecht, sondern auch
ungerecht ffsi). Daher wird die Freiheit von den Leidenschaften
auch die Gerechtigkeit und das politische Gemeinwohl befördern.
Mit der Vernunft können sich die vom Haß erfüllten Affecte unter
keiner Bedingung vertragen; wer daher vernunftgemäß lebt, wird
*) Eth. IY. Prop. XLII.
**) Ebendaselbst. Prop. XLIII. XLIY.
***) Ebendaselbst. Prop. Eil.
f) Ebendaselbst. Prop. LI. LVIII.
ff) Ebendaselbst. Prop. XLV. Coroll. I. II.