Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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Idee, die in der Wirklichkeit keinen Halt findet? Wie sich das 
optische Trugbild aus der Beschaffenheit des Auges erklären muß, 
so muß sich der Zweckbegriff, dieses metaphysische Trugbild, aus 
der Beschaffenheit des Geistes erklären. Diesen verworrenen Be 
griff bildet der verworrene Geist oder die Imagination, welche 
die Dinge auf sich bezieht, in dem Wahne lebt, daß um des Men 
schen willen die Dinge gemacht seien, und sich mit der Selbstän 
digkeit des menschlichen Wesens zugleich die der Dinge einbildet. 
Woher kam jene falsche Astronomie, die in der Einbildung lebte, 
daß die Sonne die Erde umkreise? Sie kam aus der sinnlichen 
Wahrnehmung, aus dem ersten oberflächlichen Blick, der uns jene 
Bewegung zeigt, aus dem Scheine der Sonnenbewegung, den 
wir wahrnehmen und nur darum für wahr halten, weil wir die 
eigene Bewegung nicht merken. So ist auch die Selbständigkeit 
der Dinge um uns her ein Schein, den wir für wahr halten, weil 
wir unsere eigene Unselbständigkeit nicht eher einsehen, als wir das 
Ganze und den Zusammenhang aller Dinge erkannt haben. Dann 
erkennen wir uns selbst als Modi, während uns die Imagination 
mit dem Wahne betrügt, wir seien Substanzen. 
Warum aber muß der menschliche Geist die Dinge imagini- 
ren und eben dadurch irren? Weil er ein beschränktes, von 
Außen determinirtes Wesen ist. Und warum kann er die Dinge 
erkennen und der Wahrheit theilhaftig sein? Weil er von Natur 
ein denkendes Wesen ist, aus dem nothwendig die klaren Be 
griffe hervorgehen. Der unklare Verstand folgt aus der S ch r a n k e, 
der klare aus dem Vermögen des menschlichen Geistes. 
Wenn wir auf den ersten Blick und mit einem Male die ein- 
müthige Weltordnung, das ewige Dasein zu erkennen vermöchten, so 
würden wir die Dinge nicht vereinzelt, zerstreut, gebrochen anschauen, 
wir würden gleich sein dem unendlichen Weltverstande, in dem
	        
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