Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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sein Dasein so viel als möglich zu erhalten und zu mehren sucht. 
Und lehrt nicht die tägliche Erfahrung, daß es sich mit dem 
Neide und Mitleide der Menschen in der That so und nicht an 
ders verhält*)? 
11. Die übertriebene Schätzung. Der Hochmuth. 
Die Begierde, das eigene Dasein zu erhalten und so vollkom 
men als möglich zu machen, fordert, daß wir lieben, was uns er 
freut, daß wir Alles thun, um den Gegenstand zu erhalten und 
zu steigern, den wir lieben. Je vollkommener dieser Gegenstand 
ist, um so größer ist unsere Freude, um so vollkommener sind 
und fühlen wir uns selbst. So folgt aus der Liebe das natürliche 
Streben, den Gegenstand derselben so vollkommen als möglich 
vorzustellen, denn diese Vorstellung erquickt uns, sie steigert unser 
Selbstgefühl und liegt also in der Richtung unserer ursprünglichen 
Begierde. Daher wird die Liebe ihr Object ebenso leicht über 
schätzen, als der Haß aus dem entgegengesetzten Grunde das seinige 
unterschätzen wird. Die Liebe übertreibt den Werth ihres Gegen 
standes und der Haß den Unwerth des seinigen. Jene kann von 
ihrem Gegenstände nicht hoch genug, diese nicht gering genug den 
ken. So erzeugt die Liebe die übermäßige Schätzung 
(existimatio), der Haß die Geringschätzung (ässpsetus). 
Aber Liebe und Haß sind indirecte Selbstliebe. Denn wir lieben, 
was uns erfreut, und Haffen, was unser Dasein vermindert. Indem 
wir das Object unserer Liebe vergrößern, erhöhen wir unser freu 
diges Selbstgefühl, vermehren wir unser Dasein. Wenn aus der 
Liebe die Ueberschätzung folgt, so wird aus der Selbstliebe folgen, 
*) Eth. III. Prop. XXXII. Schol.
	        
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