Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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noch lieben, also andere Menschen, denen gegenüber wir in voller 
Gemüthsruhe sind, so werden wir ihre Gemüthsbewegungen vor 
stellen , wie sic sind; diese unsere Vorstellungen müssen uns afsi- 
ciren, wir werden also von diesen Vorstellungen ergriffen werden 
und eben dadurch ähnliche Assertionen haben. So werden wir das 
Leiden und Begehren anderer Menschen unwillkürlich mitem 
pfinden. Diese Mitempsindung fremden Leidens ist das Mit 
leid und die Mitempsindung fremden Begehrens eine Art 
Mitbegehren oder Mitstrcben, welches Spinoza „aemulatio“ 
nennt *). 
Das Unglück des Geliebten empfinden wir als unser eigenes; 
das Unglück des Gehaßten empfinden wir freudig; das Unglück 
der Menschen, die wir weder Haffen noch lieben, empfinden wir 
mitleidig. Mitleid und Haß können sich daher in Rücksicht auf 
dasselbe Object nicht zusammen vertragen. Was wir hassen, können 
wir nicht bemitleiden. Was wir bemitleiden, können wir nicht 
hassen * **). 
Was in dem Anderen das Leiden erregt, erregt in uns das 
Mitleid. Also ist die Ursache des fremden Leidens zugleich die Ur 
sache unseres Mitleids. Nun gehört das Mitleid zu den traurigen 
Affecten, die wir los zu werden, deren Ursachen wir also zu ent 
fernen suchen. Also werden wir suchen, den Anderen von der 
Ursache seines Leidens zu befreien. So entsteht aus dem Mitleid 
die natürliche Begierde, dem Anderen zu helfen, d. h. das Wohl 
wolle n (benevolentia) ***). 
'*) Eth. III. Prop. XXVII. Schol. 
**) Ebendaselbst. Prop. XXVII. Coroll. II. 
***) Ebendaselbst. Coroll. III. Schol.
	        
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