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paHie der Glaube an gute und üble Vorzeichen, und hier sehen
wir den natürlichen Ursprung des menschlichen Aberglaubens.
Der Aberglauben sagt: diese Dinge sind schlimm und verkünden
Unheil, darum erfüllen sie uns mit Furcht. In Wahrheit verhält
sich die Sache umgekehrt. Weil wir die wirkliche Ursache un
seres Unglücks hassen, darum fassen wir einen Widerwillen auch
gegen die Umstände dieser Ursache; darum werden gleichgültige
Dinge Objecte unserer Antipathie, darum werden wir abergläu
bisch, und die Dinge als Objecte des Aberglaubens werden be
deutungsvolle Vorzeichen. Sehr gut sagt Spinoza: „ein jedes
Ding kann zufälligerweise (per accidens) Ursache der Hoffnung
oder Furcht sein*)."
4. Hoffnung und Furcht.
Wenn die Ursache unserer Freude oder Trauer, also das
Object unserer Liebe oder unseres Hasses, noch nicht wirklich vor
handen ist, aber bevorsteht, so werden auch die Affecte der Freude
und Traurigkeit als bevorstehend empfunden. Diese Gemüths
bewegung ist die Erwartung. Freudiges erwarten heißt hoffen;
Trauriges erwarten heißt fürchten. Ist eingetroffen, was wir
gehofft haben, so verwandelt sich die Hoffnung in Sicherheit.
Ist das Gefürchtete eingetroffen, so wird aus der Furcht Ver
zweiflung. Sicherheit (seeuritas) ist die Hoffnung, die nichts
mehr zu fürchten hat. Verzweiflung ist die Furcht, die nichts
mehr zu hoffen hat. So lange wir hoffen und fürchten, ist der Aus
*) Eth. III. Prop. XY. Coroll. Prop. XYI. Vgl. über
Sympathie und Antipathie Prop. XY. Schol., über die Sehnsucht
Prop. XXXYI. Dem. Cor. Schol., über den Aberglauben Prop. L.
Kollo!.