Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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Lessing in seiner Schrift von der Erziehung des Menschengeschlechts 
so erleuchtend dargethan hat. Wem aber das göttliche Gesetz in 
seiner Wahrheit einleuchtet als die ewige Ordnung der Dinge, 
die von uns erkannt und bejaht sein will, der lebt in der Erkennt 
niß und Liebe Gottes: diese Liebe, welche das menschliche Herz läutert 
und von den Begierden reinigt, ist die wahre Erfüllung des Ge 
setzes und der alleinige Inhalt aller ächten Offenbarung. Diese Ge 
setzeserfüllung trägt ihren Lohn in sich selbst: nämlich die Freiheit 
von der Selbstsucht und ihren Uebeln. Das Gegentheil trägt die 
Strafe ebenso in sich selbst: nämlich die Knechtschaft des Fleisches"). 
Nicht in dem Gehorsam gegen das äußerlich gegebene, statu 
tarische Gesetz, sondern in der Erfüllung des inneren, welches mit 
der Natur eins ist, offenbart sich in Wahrheit das göttliche Wesen. 
Die Urschrift des Gesetzes ist in uns. Das geschriebene Wort, 
das uns äußerlich überliefert wird in der Form des fremden Ge 
setzes, des göttlichen Statuts, bildet die pädagogische Vorstufe für 
die noch unreife menschliche Erkenntniß. So unterscheidet Spi 
noza in seinem theologisch- politischen Tractat das Wort Gottes in 
dem alten und neuen Testament, die mosaische und christliche 
Offenbarung. Christus gilt ihm als die Erfüllung; in Christus 
hat die göttliche Weisheit menschliche Gestalt angenommen, in ihm 
ist die Liebe Gottes personisicirt, er selbst ist ihre Offenbarung, 
er ist „der Mund Gottes," nicht bloß, wie Moses und die Prophe 
ten, ein Verkünder des Herrn""). Ganz ähnlich, wie Lessing, 
sagt schon Spinoza: „ Den ersten Juden wurde das Gesetz in 
*) Tract. theol. polit. Cap. IV. De lege clivina. Op. I. 
pg. 211. Nr. IY. 
**) Ebendaselbst. Nam Christus non tarn propheta quam os 
Dei fuit. Op. I. pg. 213.
	        
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