Volltext: Descartes' Schule [1. Band. Zweiter Theil, zweite völlig umgearbeitete Auflage] (1,2,2 / 1865)

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unmittelbar nahe gelegt: das Verhältniß der Philosophie zur Re 
ligion, der natürlichen Erkenntniß zur göttlichen Offenbarung, 
der Freiheit des Denkens zur Autorität des Glaubens. 
Ob der Glaube in der That das Recht besitzt, seinem Macht- 
spruche die natürliche Erkenntniß zu unterwerfen? Ein solches 
Recht gründet sich aus die Voraussetzung, daß die wahre Er 
kenntniß bei der Religion ist und alle andere Erkenntniß falsch; 
daß die Religion ein Erkenntnißsystem aus göttlicher Offenbarung 
ist, wie die Philosophie ein Erkenntnißsystcm aus natürlicher Ver 
nunft. Gilt diese Voraussetzung, so ist der Gegensatz zwischen 
Religion und Philosophie nothwendig und unversöhnlich, denn 
beide streiten aus entgegengesetzten Standpunkten um dasselbe Ziel 
einer wahren Einsicht in die Natur der Dinge. 
Es ist leicht zu sehen, was aus einem solchem Gegensatz un 
vermeidlich hervorgeht. Auf dem Gebiet der Erkenntniß käm 
pfen die Meinungen und Theorien. Wenn die Religion dieses 
Gebiet an sich reißt, so dringt der Zwist der Meinungen in sie 
ein , der Glaubenseifer mischt sich in den Kamps, der jetzt fana 
tischentzündetwird und die friedliche Gesellschaft der Menschen ge 
fährdet. Es ist um den bürgerlichen Frieden geschehen, sobald die 
Religion auch Wissenschaft und in dieser natürlich die oberste Auto 
rität sein will und nun unter diesem Anspruch jede ihr entgegen 
gesetzte Ansicht für einen Frevel erklären und als Frevel behandeln 
darf. Mit dem Frieden ist auch die Sicherheit der Menschen er 
schüttert. Diese Sicherheit ist die Bedingung der gesellschaftli 
chen Ordnung, die Sache des Staats. Der Staat darf nicht 
dulden, daß die Religion seine Grundlagen untergräbt. Er darf 
daher dem Glauben nicht die Gewalt einräumen, die Wissenschaft 
und mit dieser die Geistesfreiheit zu unterjochen; er muß in seinem 
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