Volltext: Sagen und Denkwürdigkeiten aus dem Nibelungengau

gegen den Willen ihrer eitern mit ihm von dannen 20g und ihn hei¬ 
ratete. Ihre Eltern verstiegen es deshalb. Das Mädchen, 6va hietz 
es, lebte als nunmehrige Frau glücklich mit ihrem Manne und ihr 6he- 
glück wurde noch vermehrt, als Gott ihren Ehestand mit einem Kinde 
segnete, einmal kam die wandernde Künstlertruppe auch in den Markt 
Klein-Pöchlarn. Daselbst wurde gerade das Kirchweihfest gefeiert und 
viele Leute waren von weit und breit zusammengeströmt, denn gar 
vieles gab es da zu kaufen und zu sehen. Auf dem Marktplatze hatte 
der Seiltänzer ein Seil gespannt und da die Häuser alle zu niedrig 
waren, hatte er die beiden Enden des Seiles an alte hohe Bäume 
befestigt. Hach dem Gottesdienste sollte die Dorstellung beginnen 
und der Seiltänzer hatte bereits das Seil bestiegen, um vor der an¬ 
gesammelten Menge feine Kunstfertigkeit zu zeigen, während her- 
unten (eine Frau stand, das Kind im Arme. 
Da — ein Krach — — — ein hundertstimmiger Schrei, der 
Ast des einen alten Baumes war abgebrochen und der Seiltänzer 
stürzte zur Erde! Alles stob entsetzt auseinander, nur die Seiltänzerin 
blieb stehen und beide Arme erhebend, wollte sie ihren herabstürzenpen 
Mann auffangen. Doch die Wucht des aus der Höhe herab taufenden 
Körpers ritz sie mit ihrem Kinde zur Erde, wobei der Mann auf das 
Kind fiel. 
Eine tiefe Ohnmacht umfing für kurze Zeit die Seiltänzerin. 
Als sie wieder die Augen öffnete, sah sie, wie einige Männer die toten 
Körper ihres Gatten und des Kindes auf einen Karren legten. Sie 
raffte (ich auf und stürzte hin zu dem, um derentwillen sie ihre Heimat 
verlassen und den Fluch ihrer Eltern und die Verachtung der Orts¬ 
bewohner auf sich geladen hatte und bedeckte die toten Körper mit 
ihren Küssen. — Da das Gewerbe eines Seiltänzers nach damaliger 
Rechtsauffassung als unehrlich galt, konnte ihr Mann auch nicht in dem 
geweihten Friedhof neben der Kirche begraben werden, sondern 
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