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Georg Gruber, is Jahre alt, ist ein feuri¬
ger, kraftvoller Jüngling an Leib und Seele. Wie
beynahe alle Menschen von warmen feurigen Tempe¬
ramenten , so wird auch er leicht zum Zorne-gereitzt,
er besänftiget sich aber auch schnell wieder, und läßt
diese Leidenschaft nicht leicht zum völligen Ausbruche
kommen. Er fühlt inniges Mitleiden mit allen Un¬
glücklichen und thnt alles, was in seinen geringen
Kräften steht, um ihnen ihr Unglück zu erleichtern.
Seine Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Religiosi¬
tät erstreckt sich bis auf die kleinsten, unbedeutendsten
Dinge, ja man kann sagen, daß er sie bis zur Pe¬
danterie treibe. Die in ihm wohnende, unverdor¬
bene Kraft des Körpers und der Seele macht ihn
äußerst thätig und arbeitsam, und was bey feurigen
Temperamenten nicht allzeit Statt findet, auch anhal¬
tend bey einem und dem nähmlichen Geschäfte. Mit
einer standhaften Mäßigkeit in Speise und Trank, ver-
bindet er genaue Wirthschästlichl'eit, Ordnungsliebe
und beständige Reinlichkeit. Seine Anhänglichkeit
und Liebe zu seiner Mutter, und zu seinen Lehrern,
verbunden mit vollkommnem Wertrauen auf sie, sind
gränzenlos. Er spricht gut und verständlich, und un¬
terhält sich stundenlang mit seiner Mutter durch ver¬
schiedene Gespräche. Als er von seinen Lehrern , bey
seiner Abreise nach Wien, Abschied nahm, zeigte er
seine Liebe zu ihnen, im vollen Maße. Nicht mehr
mächtig des heftigen Schmerzens, der bevorstehen¬
den Trennung von seinen innig geliebten Lehrern,
warf er sich an ihre Brust, klammerte sich fest an sie
an, und erst nach einem langen Strome heißer Thrä¬
nen fand er Beruhigung seines Gemüthes. Auch fei'
ne beyden Lehrer konnten ihre Thränen nicht zurück¬
halten, als der geliebte Schüler weinend an ihren