Volltext: Vorsicht! Feind hört mit!

Hans Helm ~ Nicolai und seine Helfer 
Stelle! Und da untersteht sich der deutsche Spießbürger, von der englischen „Krämer¬ 
seele" zu sprechen! Noch heute betrachtet sich der im Auslande weilende Engländer als 
im Dienst seines Landes stehend. Es wäre zu wünschen, daß wir uns den englischen Grund¬ 
satz: „Right or wrong — my country!“ auch in dieser Beziehung zu eigen gemacht hätten. 
Nicht geringer waren die Schwierigkeiten, die Nicolai auf dem Gebiet der mili¬ 
tärischen Spionageabwehr zu bekämpfen hatte. Nach langen und mühseligen Bemühungen 
gelang es den erneuten Vorstellungen des Generalstabs und Admiralstabs, eine Ver¬ 
schärfung der Spionagegesetze und die Einsetzung besonders ausgebildeter Polizeibeamter als 
Abwehrfachleute durchzusetzen. Schon aber machte sich wieder der Vorwurf geltend: Der 
Generalstab befaßt sich mit Politik! Als Nicolai gar mit dem Plan einer einheitlichen 
„Reichspolizei" hervortrat, war das Geschrei ganz besonders groß. Wie konnte sich der 
Generalstab unterstehen, die Polizeihoheit der einzelnen Bundesstaaten anzutasten! So 
etwas war geradezu unerhört und roch verdächtig nach einem politischen Machtstreben 
des Generalstabes! Nicolai sagt darüber: 
„Der Reichstag stemmte sich gegen jeden Einfluß der Militärbehörden auf die Polizei 
in der Befürchtung, daß dies politischen Zwecken dienen könne. Deutschland hatte ein 
Neichshcer, eine Neichsmarine. Die Spionageprozeffe wurden vor dem Reichsgericht 
verhandelt. Aber eine Reichspolizei hatte Deutschland nicht. Die Bundesstaaten hatten 
die Polizeihoheit und waren nicht geneigt, irgend etwas davon abzugeben. Die Grenzen 
von fünf großen einzelstaatlichen Polizeigebieten durchzogen Deutschland. Unter diesen 
Umständen konnte die deutsche Polizei wohl gewissenhaft einzelnen Spionagefällen nach¬ 
gehen, zu großzügiger Organisation wie beim Gegner fehlte ihr aber die Möglichkeit. 
Deutschland verdankte also die Aufdeckung der Spionage vor dem Kriege weniger seiner 
guten Abwehrorganisation, als der Fülle der Spionage selbst." 
Trotz aller dieser Schwierigkeiten gelang es Nicolai in der kurzen Zeit seiner Tätig¬ 
keit als Chef des Nachrichtendienstes vor dem Kriege, den kleinen, aber zuverlässigen 
Apparat so auszubauen und zu benutzen, daß rechtzeitig die militärischen Vorbereitungen 
des Gegners erkannt werden konnten. Daß man den Meldungen des Generalstabs anfangs 
nicht den Glauben schenkte, der ihnen gebührte, wurde bereits erwähnt. Bezeichnenderweise 
wurde auch die Meldung vom 31. Juli 1914, worin klar die Mobilmachung Rußlands 
gegen Deutschland zum Ausdruck kam, zunächst angezweifelt. Mit Kriegsausbruch brachen 
jedoch die mit vieler Nrühe nach dem Ausland gesponnenen Verbindungen restlos ab. 
So stand also Nicolai bei Kriegsbeginn vor der Aufgabe, den deutschen Nachrichten¬ 
dienst vollkommen neu aufzuziehen. Es wäre durchaus verfehlt, zu glauben, daß doch jetzt 
wenigstens, nachdem der Krieg ausgebrochen war und die dauernden Warnungen des 
Generalstabes sich in vollem Umfange bestätigt hatten, die deutschen Behörden Nicolai 
bei seinem Bestreben, den Nachrichtendienst neu aufzubauen, unterstützt hätten. Auch jetzt 
noch blieb der Widerstand der Behörden der gleiche. So sah sich Nicolai wieder auf 
sich selbst und auf seine Offiziere angewiesen. Mittel waren zwar jetzt endlich vorhanden,
	        
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