Volltext: Vorsicht! Feind hört mit!

Freiherr Grote ~ Vorsicht! Feind hört mit! 
überwachte im Ausland lebende Russen auf ihre Tätigkeit gegen die Regierung. Der 
Russisch-Japanische Krieg jedoch brachte hier aus Furcht vor einer feindseligen Handlung 
Deutschlands eine absolute Umstellung. Von Frankreich bewußt geschürt, fing Rußland 
damals schon an, seine Spionagetätigkeit gegen Deutschland auszubauen und auch die 
Ochrana in den Dienst dieser Spionage zu stellen. Gleichzeitig setzte eine enge Zusammen¬ 
arbeit zwischen dem französischen und russischen Nachrichtendienst ein. Nach dem unglück¬ 
lichen Ausgang des Russisch-Japanischen Krieges war Frankreich auch in dieser 
Beziehung der Ratgeber Rußlands. Die von Frankreich ursprünglich für Rüstungszwecke 
geliehenen Gelder dienten in erster Linie dazu, den russischen Nachrichtendienst auszurüsten. 
Allerdings kam dabei wohl der geringere Teil der Mittel den zahlreichen Agenten zugute. 
Das meiste blieb, wie das damals üblich war, bei den Zwischeninstanzeu stecken. In allen 
Fällen, die deutscherseits vor dem Kriege aufgedeckt werden konnten, wurde festgestellt, 
daß den Spionen zwar riesige Versprechungen gemacht wurden, ausgezahlt bekamen sie 
jedoch meist nur einen ziemlich kläglichen Gewinn. 
Die Organisation wurde zentral vom Generalstab in Petersburg geleitet. An der 
Westgrenze hatte jeder Militärbezirk eine umfangreiche Nachrichtenabteilung, in der 
bis zu zehn Offiziere saßen. Dazu trat die umfangreiche Organisation der Ochrana, die 
im Auslande wiederum mit den amtlichen russischen Stellen in Verbindung stand. 
Ab 1910 nistete sich der russische Nachrichtendienst in den nordischen Staaten ein. 
Stockholm und Kopenhagen waren die Hauptsitze der Spionage, auch sie arbeitete in enger 
Verbindung mit französischen und englischen Nachrichtenstellen. Selbst in der Schweiz 
wurden vor dem Kriege schon russische Spionagestellen festgestellt, die, wie übrigens anch 
jene in den nordischen Staaten, teilweise mit einer beispiellosen Frechheit auftraten. Der 
russische Militärattache in der Schweiz hatte sich durch seine Unverschämtheit bereits bei 
Kriegsbeginn derartig kompromittiert, daß sein Aufenthalt in der Schweiz unmöglich 
wurde. Seine Abberufung brachte eine gewisse Störung des Apparates mit sich. 
Überhaupt zeichnete sich der russische Nachrichtendienst durch Skrupellosigkeit aus. 
Allgemein bekannt ist ja der Fall des von den Rüsten bestochenen österreichischen Generalstabs¬ 
obersten Redl, der wohl die wichtigsten Dienste leistete. Aber auch deutscherseits wurden 
verschiedene Fälle aufgedeckt, die für die Arbeitsmethode des russischen Nachrichtendienstes 
bezeichnend waren. Wiederholt lieferte der russische Nachrichtendienst Agenten, die irgend¬ 
wie unbequem geworden waren, selbst der deutschen Polizei ans Messer, um sie unschädlich 
zu machen. 
Besondere Erfolge hatte der russische Nachrichtendienst in Österreich. Es kam dort 
für ihn erleichternd hinzu, daß er unter dem Völkergemisch Österreich-Ungarns auf 
eine Anzahl mit Rußland und seiner panslawistischen Bewegung stark sympathisierende 
Bestrebungen stieß, die ihm bereitwilligst jeglichen Dienst erwiesen. 
So sehen wir denn, wie lange vor dem Kriege sich das Netz des Entente-Nachrichten¬ 
dienstes sich um Deutschland spannte, von einem einheitlichen Willen geleitet, dem Willen 
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