Volltext: Unsere Offiziere

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lich auf, um ihm seine Opfer zu entreißen. Wo hinter den vordersten 
Schützenlinien nur ein kugelfreies Plätzchen schien, baute er seine 
Ambulanz hin; da das Gefechtsfeld wechselnde Erscheinungen zeigte 
wie eine Regenlandschaft bei launenhaftem Winde, so bekamen seine 
Hilfsplätze öfter Feuer und Eisenschauer; aber mit unnachahm¬ 
licher Geschicklichkeit wußte dann dieser Mann, der den Offizier 
und den Arzt so hervorragend vereinigen konnte, einen neuen, 
geschützteren Platz zu finden. Er selber holte sich mit seinen Leuten 
die Verwundeten stets aus der vordersten Linie und keine Sanitäts¬ 
patrouille verdiente sich so viele silberne und goldene Tapferkeits¬ 
medaillen wie die seine; denn bei ihm war immer das Außer¬ 
ordentliche zu erwarten. Dieser Arzt mußte einen nie versiegen¬ 
den Humor besitzen, denn sein Bataillon kannte fast keine Marsch¬ 
maroden. Mit ein paar guten Worten wußte er seine Bergsteirer, 
die für frisches Zureden so empfänglich sind, zum Ausharren zu 
bewegen. Siebzig, achtzig Verwundete in einer Nacht zu versorgen 
war ihm eine Kleinigkeit, und derselbe Mann, der sich und seine 
Sanitätsmannschaft bis zum äußersten bloßstellte, entriß dem Tode 
mitten in der Feuerlinie ungezählte Opfer. 
Sechs Mann seiner kleinen Sanitätspatrouille trugen schon 
Tapferkeitsmedaillen, als Assistenzarzt Kernmayer am Verband¬ 
plätze von O. beim Rücknehmen der ganzen Gefechtsfront, sozusagen 
mitten unter den nachdrängenden Kosaken, die ganze Nacht ar¬ 
beitete. Einen Verwundetentransport nach dem anderen sandte er 
seiner Truppe nach; er selber blieb bei seinem Samariterwerk, als 
schon die Geschosse der Kosaken ins Haus schlugen, dessen Genfer 
Flagge ihnen gänzlich gleichgültig war. Im vollen Bewußtsein, 
daß der Kosak weder Verwundete noch Ärzte schonte, verdreifachte 
der bewunderungswürdige junge Arzt seine Tätigkeit, bis auch 
der letzte Verwundete verbunden und abtransportiert war. An 
seine eigene Sicherheit schien er nicht zu denken; er räumte noch 
sein Besteck zusammen, als schon die Kosaken Feuer an das Lazarett 
legten, das nun, dank seiner opferreichen Tätigkeit, keine Hilf¬ 
losen mehr barg. Erst als rings um ihn die Flammen züngelten, 
verließ er das Haus, umsurrt von Kugeln, von denen ihn keine 
einzige traf. 
Bei Grodek verband dieser nie müde Helfer siebzig Verwundete 
im Hcinrichshof, in den fortwährend die russischen Granaten schlugen,
	        
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