Übermacht der Entente — Einstellung des Angriffs auf Verdun
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stärkt, Italien war hinzugekommen, alle Staaten hatten Neuformationen,
England ein starkes Heer geschaffen und ihre Hilfsvölker umfassend aufgeboten;
jetzt griff Rumänien mit 750 000 Mann gegen uns ein. Wir waren dem
gegenüber in starker Unterlegenheit. Wir standen an der Front mit 6 Mil
lionen gegen 10 Millionen Feinde.
Die Ausstattung der Ententearmeen mit Kriegsmaterial war auf eine
bisher unbekannte Höhe gebracht. Die Sommeschlacht bewies es täglich klarer,
wie weit der Vorsprung des Feindes war. Wurden noch der Haß und der
ungeheure Kriegswille der Entente, die Hunger- oder Würgeblockade und die
feindliche, uns so gefährliche Lügen- und Hetzpropaganda in die Rechnung
gestellt, dann ergab es sich, daß wir an einen Sieg nur denken konnten, wenn
Deutschland und seine Verbündeten an Menschen und wirtschaftlicher Kraft
hergaben, was sie hergeben konnten, und wenn jeder Mann, der ins Feld ging,
aus der Heimat ungebrochenen Siegeswillen und die Überzeugung mitbrachte,
daß das Heer um des Vaterlandes willen siegen müsse. Der Mann im Felde,
der das Schwerste erlebt, was ein Mensch erleben kann, braucht in den Stunden
der Not dringend diesen seelischen Krastzuschuß aus der Heimat, um an der
Front festzubleiben und auszuhalten.
In der Lage, die der Generalfeldmarschall und ich vorfanden, hielten wir
es nach unseren ganzen Auffassungen über das Wesen des Krieges und den
Vernichtungswillen des Feindes für geboten, die physischen, wirtschaftlichen
und sittlichen Kräfte des Vaterlandes zu höchster Entfaltung zu bringen. Die
O.H.L. stellte ihre Forderungen an die Reichsregierung nach Menschen, Kriegs
material und seelischer Kraft.
Bei den Verbündeten wirkten wir, so gut es ging, in gleichem Sinne.
In dieser Lage mußte die O.H.L. mehr denn je auch daran denken, Zuschuß
an Kraft aus den besetzten Gebieten zu bekommen.
Das waren die entscheidenden Wechsel Deutschlands auf die Zukunft.
Der Chef des Admiralstabes trat für die Führung des II-Bootkrieges in
uneingeschränkter Form ein, die auch neutrale Schiffe im Sperrgebiet traf.
Das war die wirksamste Hilfe, die die Marine der schwer ringenden Armee
geben konnte. Die Frage wurde auf Wunsch des Reichskanzlers bereits am
30. August besprochen. Dem Generalfeldmarschall und mir mußte daran ge
legen sein, daß nicht Teile unserer Wehrkraft in der Marine während des
Völkerringens einfach brach lagen. Nur mit tiefstem Bedauern konnten wir
uns nicht für die uneingeschränkte Führung des I7-Bootkrieges aussprechen,
da er nach Urteil des Reichskanzlers den Krieg mit Holland und Dänemark
möglicherweise zur Folge haben würde; wir hatten zum Schutz gegen beide
Staaten nicht einen Mann zur Verfügung.
An der Westfront war der Kampf bei Verdun im Niedergang: die Somme
schlacht hatte der Entente Anfang Juli den erhofften Durchbruch nicht gebracht.
Die zweite Zermürbungsschlacht des Jahres 1916 wurde feit diesen Tagen
beiderseits der Somme in unerhörter Erbitterung und sich drängender Kampf
folge geschlagen.
-Verdun hat uns sehr viel Blut gekostet. Die Lage unserer angreifenden
Truppen war immer ungünstiger geworden. Jetzt schleppte sich der Angriff
kraftverzehrend hin. Die Führung war nur noch mit halber Seele dabei. Der
deutsche Kronprinz hatte sich schon frühzeitig für die Einstellung des Angriffs
ausgesprochen.