52 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916
zuverlässige Menschen in dem fremden Land haben. Einheimische wurden nur
in Kurland, aber auch hier mit Zurückhaltung angestellt.
Jeder gab sich gleich mir mit Eifer seiner schweren und mühevollen Arbeit
hin. Wir wirkten in uns bis dahin vollständig unbekannten Verhältnissen,
dazu in einem durch den Krieg zerrütteten Lande, in dem alle staatlichen
und wirtschaftlichen Bande zerrissen waren. Wir sahen uns einer fremden
Bevölkerung gegenüber, die aus verschiedenen sich gegenseitig befehdenden
Stämmen zusammengesetzt war, uns sprachlich nicht verstand und größtenteils
innerlich ablehnte. Der Geist treuer und selbstloser Pflichterfüllung, das Erb
teil hundertjähriger preußischer Zucht und deutscher Tradition, beseelte alle.
Das von dem Oberbefehlshaber Ost zu verwaltende Land, so groß etwa
wie Ost- und Westpreußen, Posen und Pommern zusammen, wurde in die
Verwaltungsbezirke Kurland, Litauen, Suwalki, Wilna, Grodno, Bialystok ge
gliedert. Mit der fortschreitenden Durchführung der Organisation konnte ihre
Zahl durch Zusammenlegung auf drei verringert werden: Kurland, Litauen,
Bialystok-Grodno.
Die Verwaltungschefs waren den Etappeninspekteuren und dem Ober
befehlshaber Ost für die Verwaltung des Landes nach jeder Richtung hin
verantwortlich. Sie hatten unter sich eine Behörde, die meinem Wirtschafts
stabe entsprach.
Die Verwaltungsbezirke waren in Kreise geteilt, häufig von der Größe
eines Etappengebiets im Westen. Bei dem Kreishauptmann lag der Schwer
punkt der Verwaltung in verwaltungstechnischer und wirtschaftlicher Beziehung,
ihm gleich war der Stadthauptmann der größeren Städte.
Unter den Kreishauptleuten betätigten sich Bürgermeister und Amts
vorstände für die kleineren Städte und das flache Land. Die Amtsvorstände
verkehrten wiederum mit den Ortsvorftänden. Für die landwirtschaftliche Aus
nutzung des Landes waren den Kreishauptleuten besondere Wirtschaftsoffiziere
angegliedert, denen die Überwachung der Bebauung des Landes, die Bewirt
schaftung der Güter sowie die Sorge für Produktionssteigerung und die Ver
wertung der Ernte oblagen. Andere Organe dienten den Kreishauptleuten für
das Aufbringen der Kriegsrohstoffe aller Art.
Die Einheitlichkeit der Verwaltung, wie ich sie eben skizzierte, wurde
in den verschiedenen Bezirken erst noch und nach auf Grund einer am 7. Juni
1916 erlassenen Verwaltungsordnung durchgeführt.
Die Kreishauptleute verfügten als Polizeiorgane über Gendarmerie. Sie
war in den Verwaltungsbezirken zu besonderen Gendarmerieabteilungen, im
Gebiet des Oberbefehlshabers Ost zu einem Gendarmeriekorps zusammengefaßt.
Das Fehlen von heimischen Polizeiorganen daselbst habe ich besonders schmerz
lich bedauert. Deutschland kannte Gendarmen nicht in der erforderlichen Zahl
abgeben, ich mußte mir deshalb durch Abkommandierungen von älteren Mann
schaften aus der Front helfen. ' Die ganze Einrichtung blieb ein Notbehelf.
Vielleicht haben einzelne Gendarmen bedauerlicherweise zu der späteren Miß
stimmung beigetragen. Viele haben aber ihre Treue im Kampf gegen
die zahlreichen Banden mit dem Tode bezahlt. Das soll ihnen unver
gessen bleiben.
In die Landesverwaltung, der Kreiseinteilung sich anpassend, fügte sich
die Justizverwaliung ein. Jeder Kreis bekam sein Kreisgericht für die heimische
Bevölkerung; wir mußten es schaffen, da jedes Gericht fehlte. Eine Art